Emmanuel Macrons Motor bekommt gehörig Sand ins Getriebe. Gleich mehrere Streiks gegen Reformpläne legen Frankreich lahm. Willkommen in der Realität, Monsieur le Président!
Macron (40) war am 7. Mai 2017 mit vielen Vorschusslorbeeren zum Staatspräsidenten gewählt worden. Mit seiner neuen Bewegung «En Marche» wollte er sich von seinen gescheiterten Vorgängern abheben, die traditionellen Parteien angehörten.
Nur elf Monate nach seiner Wahl steckt er bereits im gleichen Schlamassel. In Frankreich haben die Eisenbahner in weiten Teilen des Landes den Zugverkehr lahmgelegt. Sie protestieren gegen die geplante Bahnreform, die ihnen den Beamtenstatus mit Rentenalter 52 wegnimmt. Die Bähnler haben Streiks bis Ende Juni angedroht.
Stromproduzenten wollen den Hahn zudrehen
Es ist bei weitem nicht der einzige grossflächige Streik. Auch Mitarbeiter der Air France streikten gestern, um sechs Prozent mehr Lohn zu erzwingen. Die Güselarbeiter haben die Arbeit ebenfalls niedergelegt, um auf ihre miesen Arbeitsbedingungen aufmerksam zu machen.
Drastisch sind die Drohungen der Strom- und Gaserzeuger: Sie wollen mit gezielten Stromabschaltungen die Wirtschaft des Landes stören. Ihr Streik, der sich gegen die geplante Liberalisierung des Energiemarktes richtet, könnte drei Monate lang dauern.
Popularität sackt massiv ab
Des Elends nicht genug: Selbst Macrons aussenpolitisches Engagement erleidet Schiffbruch. Sein gut gemeintes Angebot, zwischen der Türkei und der Kurdenmiliz YPG zu vermitteln, geriet zum Schuss ins eigene Knie. Türkei-Präsident Recep Tayyip Erdogan (64) ist ausser sich vor Wut. Er wirft Macron vor, sich mit Terroristen «ins Bett zu legen».
Macrons Popularität rast ungebremst in die Tiefe. Nach dem Höchststand von 43 Prozent im Juli 2017, lag der Vertrauensindex im Februar bei der Umfrageplattform YouGov noch bei 41 Prozent. Allein im März stürzte der Faktor aber um ganze elf Punkte auf 30 Prozent ab.
Nun kommt das grosse Kräftemessen
Der Anfangsbonus, mit dem Macron ohne grossen Widerstand zahlreiche Reformen initiieren konnte, ist verpufft. Nino Galetti, Leiter des Pariser Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung, zu BLICK: «Nun kommt es zum grossen Seilziehen. Der jetzige Streik, insbesondere bei der französischen Bahn SNCF, ist sowohl für die Regierung als auch für die Gewerkschaften ein Test, wer am längeren Hebel sitzt.»
Da es bei beiden um ihre Glaubwürdigkeit gehe, sei die Bereitschaft für Kompromisse gegenwärtig gering. Galetti: «Sollte die Regierung wesentliche Pläne zur Liberalisierung der SNCF aufgeben, ist ihr Ruf als Reform-Motor in Gefahr. Erreichen die Gewerkschaften ihre wesentlichen Forderungen nicht, sackt ihr Ansehen weiter ab.»
Wer in Frankreich wohnt oder nach Frankreich reisen will, braucht auch in den nächsten Wochen grosse Geduld. Nino Galetti zu BLICK: «Es ist eine längere Streikwelle zu erwarten.»