Die Corona-Situation in Deutschland spitzt sich weiter zu. Die Spitäler sind am Anschlag. Besonders im Süden des Landes. Bilder zeigen, wie eine Kolonne aus 19 Ambulanzen des Bayerischen Roten Kreuzes parat stehen, um 23 Erkrankte, darunter vier Intensivpatienten, in andere Spitäler zu transportieren.
«Die Verlegung wurde erforderlich, da die Rottal-Inn-Kliniken durch die hohen Inzidenzzahlen im Landkreis an die Grenze der Versorgungsmöglichkeiten von Covid-19-Patienten stiessen», schreiben die Kliniken zu den Bildern.
Nun werden die Massnahmen verschärft. Bayern verhängt für Landkreise mit einer Corona-Inzidenz von über 1000 einen Lockdown. «Hier muss alles geschlossen werden», sagte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Freitag nach einer Sitzung seines Kabinetts in München. Ausnahmen werde es für Kitas, Schulen und den Handel geben.
Die bayerischen Spitäler warnten zuvor angesichts der ungebremst steigenden Corona-Infektionszahlen vor einer unmittelbar drohenden Überlastung der Intensivstationen und hatten deutlich härtere Kontaktbeschränkungen im Freistaat gefordert. «Die aktuelle Lage ist so dramatisch, wie sie noch nie in der gesamten Pandemie-Zeit in Bayern war», sagte der Geschäftsführer der Bayerischen Krankenhausgesellschaft, Roland Engehausen, der «Augsburger Allgemeinen» vom Freitag.
Lockdown gefordert
«Wir haben schon jetzt kaum noch Kapazitäten», berichtete Engehausen. In bayerischen Kliniken müssten sogar Krebs-Operationen auf unbestimmte Zeit verschoben werden. Auch die Verlegung von Patienten in angrenzende Bundesländer werde immer schwieriger.
«Die Infektionszahlen müssen runter, um die planbaren Behandlungen, die wir jetzt verschieben, durchführen zu können», forderte der Krankenhaus-Vertreter. «Wir brauchen deutliche Kontaktvermeidung», forderte Engehausen. «Ob man das Lockdown oder anders nennt, ist für uns Kliniken zweitrangig.»
Die derzeit geplanten Schritte reichten nicht aus, um den Anstieg der Infektionszahlen zu bremsen: «Wir sehen im Moment keine ausreichend wirksamen Gegenmassnahmen, die uns in den Kliniken in den nächsten zwei bis vier Wochen eine Entlastung bringen würden», warnte der Vertreter der bayerischen Kliniken. «Das macht die Lage sowohl jetzt als auch in der Perspektive der nächsten Wochen so dramatisch.»
Verlegungen von Patienten wird immer schwieriger
Die Zahl der Corona-Intensivpatienten steige in Bayern ohne harte Gegenmassnahmen jede Woche um etwa 30 Prozent an, «sodass wir bald keine Chance mehr für Verlegungen innerhalb des Freistaats haben», sagte Engehausen.
Schon jetzt würden bayerische Intensivpatienten in andere Bundesländer verlegt. «Aber der Weg nach Baden-Württemberg ist eigentlich bereits geschlossen, weil sich die Kliniken dort der bayerischen Situation annähern», sagte der Krankenhaus-Vertreter. «Ob wir in ein paar Wochen noch jemand nach Hessen bringen können, wissen wir nicht. Nach Thüringen und Sachsen braucht man nicht zu fahren und im Süden in Österreich ist die Lage nicht besser als bei uns.»
«Wir sind in ein Hamsterrad geraten, das sich immer weiter beschleunigt»
Von der Situation einer Triage sei Bayern trotz entsprechender Vorbereitungen einiger Krankenhäuser aber immer noch weit entfernt. «Wir sehen eine derartige Situation an bayerischen Kliniken nach wie vor nicht», betonte Engehausen. «Wir haben die Möglichkeit, planbare Behandlungen zu verschieben, Patienten über längere Strecken in Regionen zu verlegen, die weniger belastet sind und andere Mittel», sagte er.
Die jetzige Entwicklung habe aber selbst die sehr pessimistischen Erwartungen der Kliniken noch übertroffen. «Der 22. Oktober war der Kipppunkt, seitdem haben wir stark steigende Inzidenzzahlen und damit einhergehend steigende Intensivbehandlungen. Wir sind in ein Hamsterrad geraten, das sich immer weiter beschleunigt.»
Die allermeisten Intensivfälle wären durch Impfungen vermeidbar gewesen, sagte Engehausen. «Gerade jetzt ist es für jeden einzelnen Menschen wichtig, sich impfen zu lassen, nicht nur aus Solidarität, sondern auch, weil die Versorgung nicht mehr optimal ist, wie man es vielleicht noch vor ein paar Wochen dachte.» (AFP/jmh)