Nur fünf Wochen nach dem Verfassungsreferendum ist er wieder Präsident der AKP: Das türkische Staatsoberhaupt Recep Tayyip Erdogan wurde heute in Ankara erneut zum Parteichef gewählt. Als einziger Kandidat kam Erdogan beim Sonderparteitag auf mehr als 96 Prozent der Delegiertenstimmen, wie die AKP mitteilt.
Das Amt darf er als Staatsoberhaupt erst durch die Verfassungsänderung wahrnehmen. Zuvor hatte der Ministerpräsident Binali Yildirim den AKP-Vorsitz inne.
Kritik an der EU
Mit dem Parteivorsitz bekommt Erdogan nun direkten Einfluss auf die Auswahl von Kandidaten der AKP und auf deren Abgeordnete im Parlament.
Erdogan sagte beim Sonderparteitag, der Beitrittsprozess zur EU sei «wegen der heuchlerischen Haltung der Union in einer Sackgasse gelandet. Dass man uns Bedingungen aufzwingt, die von keinem einzigen Kandidatenland gefordert wurden, und dass man für uns Regeln eingeführt hat, die für kein Kandidatenland angewandt wurden, zeigt offen die eigentliche Absicht.» Er betonte aber, es gebe für die Türkei Alternativen zur EU. Am Donnerstag kommt Erdogan in Brüssel mit den EU-Spitzen zusammen.
Auf dem Kongress seiner islamisch-konservativen Partei AKP kündigte Erdogan an, den Kampf gegen die Feinde im In- und Ausland fortzusetzen. «Wir werden weiterhin gegen alle terroristischen Organisationen kämpfen», sagte Erdogan am Sonntag in Ankara vor Tausenden jubelnden Anhängern.
Ausnahmezustand bis zum Frieden
Erdogan erteilte Forderungen aus dem Westen nach einem Ende des Ausnahmezustands in der Türkei eine Absage. «Mit welchem Recht fragt ihr uns nach der Aufhebung des Ausnahmezustands? Er wird nicht aufgehoben. Bis wann? Bis zu dem Zeitpunkt, an dem wir Frieden und Wohlstand erlangt haben.»
Zu dem Parteitag am Sonntag hatte die AKP nach eigenen Angaben rund 100'000 Besucher aus allen 81 Provinzen der Türkei erwartet. 1565 Busse sollten die Teilnehmer nach Ankara bringen. Ausserhalb der Ankara-Arena, in der der Parteitag stattfand, wurden Zelte und Bildschirme für die Besucher aufgebaut.
Referendum verschaffte ihm Macht
Erdogan hatte die AKP 2001 aus mehreren islamistisch geprägten Vorläuferorganisationen gegründet. Ein Jahr später gewann die Partei die Parlamentswahl. Als Erdogan vor fast drei Jahren zum Präsidenten gewählt wurde, musste er den AKP-Vorsitz abgeben, weil die Verfassung es nicht gestattete, beide Ämter gleichzeitig auszuüben.
Das Staatsoberhaupt sollte über den politischen Parteien stehen. Dieser Grundsatz wurde durch das Referendum im April aufgegeben. Erdogan wäre nach seiner Wahl der erste Staatspräsident seit Ismet Inonu, der zugleich an der Spitze einer Partei steht. Inonu folgte Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk und war bis 1950 Präsident der Türkei.
Die Türken hatten mit knapper Mehrheit für eine Verfassungsänderung gestimmt, die dem Präsidenten eine grosse Machtfülle gibt und unter anderem das Amt des Ministerpräsidenten abschafft. Diesen Posten soll Amtsinhaber Yildirim bis zur Parlamentswahl 2019 behalten. (SDA)