Demonstranten wehren sich mit selbstgebastelten Waffen
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Polizisten stürmen Universität:Demonstranten wehren sich mit selbstgebastelten Waffen

Auslandschweizer Michel Schumacher (46) berichtet aus der Demo-Hölle
«Ich rate dringend davon ab, nach Hongkong zu kommen»

In Hongkong spitzen sich die Proteste weiter zu. Am Montagmorgen fielen wieder Schüsse und ein Mann wurde von Demonstranten angezündet. Der Schweizer Michel Schumacher (46) lebt in Hongkong und berichtet von einer neuen Stufe der Gewalt.
Publiziert: 11.11.2019 um 15:03 Uhr
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Aktualisiert: 12.11.2019 um 09:40 Uhr
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Die Proteste in Hongkong spitzen sich immer mehr zu.
Foto: Getty Images
Martin Bruhin

In Hongkong spitzt sich die Lage immer mehr zu. Nach dem Tod eines Studenten sind die Proteste am Wochenende neu aufgeflammt. Wütende Demonstranten blockieren Strassen und legen Brände. Am Montagmorgen fielen sogar wieder Schüsse – ein Demonstrant wurde dabei von der Polizei niedergestreckt. Nur kurze Zeit später steckten Demonstranten einen Mann in Brand. Er erleidet schwere Verbrennungen und befindet sich in kritischem Zustand. Die brutalen Szenen wurden auf Video festgehalten. Ein anderes Video zeigt einen Polizisten, der mit seinem Mottorrad in  eine Gruppe Demonstranten fährt – absichtlich.

Der Schweizer Michel Schumacher (46) aus Seon AG ist mittendrin. Er lebt seit sieben Jahren in Hongkong, arbeitet dort bei einer Bank. Am Montagnachmittag musste er aus Sicherheitsgründen seine Arbeitsstelle frühzeitig verlassen. «Es ist hier nicht mehr sicher», sagt er zu BLICK. «Ich rate dringend davon ab, nach Hongkong zu kommen, wenn es nicht unbedingt sein muss.»

«Schon zweimal von Tränengas getroffen»

Von den Gewaltvideos ist Schumacher schockiert. «Die Gewalt hat eine neue Stufe erreicht. Es ist abartig.» Eigentlich sei Hongkong eine schöne Stadt mit sehr freundlichen Menschen, sagt er. «Es könnte alles so schön sein. Aber es geht Schritt für Schritt bergab.» Manchmal traut sich Schumacher schon gar nicht mehr auf die Strasse, weil es zu gefährlich ist. Zur Arbeit geht er nur mit dem Taxi.

Seit die Proteste im Juni angefangen haben, verbringen Schumacher und seine Frau viel mehr Zeit zu Hause als früher. «Wenn du zur falschen Zeit am falschen Ort bist, dann wars das.» Demonstriert wird teilweise direkt vor seiner Haustür. Von seiner Wohnung im 38. Stock muss er bloss aus dem Fenster schauen, um die Krawalle sehen zu können.

Nach draussen zu gehen, sei deshalb oftmals eine gefährlichen Angelegenheit. «Ich wurde schon zweimal von Tränengas getroffen.» Einmal als er etwas mit Freunden trinken gehen wollte, das andere Mal kam er gerade aus dem Fitnessstudio. «Die Polizei schoss in die Menge, ich konnte nichts machen – ich war mittendrin.»

«Irgendwann knallt es richtig»

Die Krawalle bestimmen Schumachers Alltag und das beginnt schon nach dem Aufstehen: «Als Erstes schaut man sich am Morgen die Nachrichten an», sagt Schumacher. Wenn keine Ausschreitungen stattfinden würden, gehe man ganz normal arbeiten. «Ansonsten kauft man sich Lebensmittel und schliesst sich zu Hause ein», sagt er.

Ein mulmiges Gefühl ist dabei stetiger Begleiter: «In der Schweiz ging ich ins Kino, hier lebe ich in einem Actionfilm. Es ist traurig», sagt Schumacher. Blutige Köpfe und Platzwunden sind für ihn mittlerweile normal. Trotz allem will Schumacher bleiben – zumindest vorerst. Der Gedanke, Hongkong zu verlassen, sei aber jeden Tag präsent. Für ihn ist aber klar: «Wenn die chinesische Armee einmarschiert, dann muss man sofort weg.»

Schumacher hofft, dass die Gewalt bald ein Ende nimmt, glaubt selber aber kaum mehr daran. Die Demonstranten würden nicht aufgeben und immer radikaler werden. Auch Peking werde nicht locker lassen, sagt er: «Die Polizisten verlieren immer mehr die Nerven. Irgendwann knallt es richtig.»

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