Aus dem Versteck des Terror-Fürsten
US-Geheimdienst gibt Bin-Laden-Dokumente frei

Vier Jahre nach der Tötung von Osama bin Laden haben die US-Geheimdienste mehr als 100 Dokumente freigegeben. Die im pakistanischen Versteck des Al-Kaida-Chefs gefundenen Dokumente zeigen den schwindenden Einfluss Bin Ladens.
Publiziert: 20.05.2015 um 15:40 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2018 um 22:58 Uhr
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Foto: Reuters

Die heute in englischer Übersetzung vorgelegten Schriftstücke geben Einblick in die Ziele des Al-Kaida-Gründers, in seine Angst vor der Entdeckung, aber auch in tiefe Risse innerhalb des Terrornetzwerks.

Ziel: US-Bevölkerung ermorden und bekämpfen

Bis zum Schluss wollte Bin Laden die USA mit einer neuen, gross angelegten Attacke aus der muslimischen Welt vertreiben. Der Fokus der Al-Kaida-Aktivitäten «sollte darauf liegen, die US-Bevölkerung und ihre Vertreter zu ermorden und zu bekämpfen», heisst es in einem Dokument, das die Nachrichtenagentur AFP vorab einsehen konnte.

Die einzige Möglichkeit, die US-Aussenpolitik zu beeinflussen, seien Angriffe, schreibt er an anderer Stelle. Dadurch sollten die USA gezwungen werden, «die Muslime in Ruhe zu lassen».

Tausende Dokumente gefunden

Die US-Spezialeinheit Navy Seals hatte bei ihrem Zugriff in Abbottabad am 2. Mai 2011 tausende Dokumente gefunden. Auf richterliche Anordnung wurden mehr als 100 der Schriftstücke nun freigegeben.

Dies habe nichts damit zu tun, dass der Enthüllungsjournalist Seymour Hersh die offiziellen Angaben über die Ergreifung und Tötung Bin Ladens kürzlich in Frage gestellt habe, sagte CIA-Sprecher Ryan Trapani.

Die Angst, von US-Spionen in seiner Villa entdeckt zu werden, trieb Bin Laden zu äusserster Vorsicht. So gab er an seine Familie und sein Umfeld die Anweisung: «Unsere Sicherheitssituation erlaubt es nicht, zu Ärzten zu gehen. Also gebt acht auf Eure medizinischen Bedürfnisse, vor allem Eure Zähne.»

Als seine Frau Umm Hamsa von einer Iran-Reise zurückkehrte, musste sie ihre komplette Kleidung wechseln, aus Angst, es könnte eine Wanze darin versteckt sein. «Da den Iranern nicht vertraut werden kann, könnte ein Chip in Deine Sachen implantiert worden sein.» Ärger rief Bin Laden mit seinem Verbot an seine Adjutanten hervor, per E-Mail zu kommunizieren.

Doch auch über die strategische Ausrichtung von Al-Kaida wurde heftig gestritten. So forderte Bin Laden, die Terrorattacken sollten sich auf den grössten Feind USA konzentrieren.

«Wir sollten Einsätze gegen die Armee und Polizei in allen Regionen stoppen, ausser im Jemen», schrieb er. Darin zeige sich seine Sorge, «eine Uneinigkeit des globalen Dschihads könnte den Niedergang der Bewegung einleiten», mutmasst ein ranghoher US-Geheimdienstanalyst.

Dass die Organisation Al-Kaida im Irak, ein Vorläufer der Miliz Islamischer Staat (IS), im Irak einen Bürgerkrieg zwischen Sunniten und Schiiten anheizte, brachte Bin Laden und seinem damaligen Vize Ayman al-Zawahri scharfe Kritik ein.

Dass Bin Laden die in seinem Namen angerichteten «Skandale» und das Blutvergiessen nicht verurteile, dafür werde er von Gott zur Rechenschaft gezogen werden, schrieb die Gruppe Dschihad- und Reformfront in einem Brief von 2007. «Wenn Du es noch kannst, ist es Deine letzte Chance, den Zusammenbruch des Dschihad im Irak aufzuhalten.» Heute hat der IS Al-Kaida in den Schatten gestellt.

Sein schwindender Einfluss zeigt sich auch in taktischen Differenzen. So warb Bin Laden in den Dokumenten bis zu seinem Tod für gross angelegte Terrorattacken. Einige seiner Stellvertreter finden dies hingegen angesichts der permanenten Gefahr durch US-Drohnen zu schwer zu organisieren.

In einem schon vor kurzem freigegebenen Dokument aus der damaligen Zeit wird Al-Kaida-Veteran Abu Mussab al-Suri mit der Haltung zitiert, kleinere Anschläge seien der bessere Ansatz. Er setzte sich mit seinem Konzept des «individuellen Dschihads» durch: Nach Bin Ladens Tod rief die neue Al-Kaida-Führung ihre Anhänger auf, als Einzelkämpfer Anschläge zu verüben.

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