In Begleitung seiner Freundin Greta Menegaldo ist Raffaele Sollecito (30) am Morgen vor dem Kassationsgerichtshof in Rom eingetroffen. Das oberste Gericht Italiens wollte heute entscheiden, ob die Verurteilung von Amanda Knox (27) und Sollecito zu langen Haftstrafen wegen Mordes Bestand hat.
Das Urteil soll allerdings erst am Freitag fallen. So soll der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft mehr Zeit eingeräumt werden, ihre Argumente vorzubringen, sagte Gerichtspräsident Gennaro Marasca in Rom.
Die Verhandlung soll am Freitag mit dem Plädoyer der Anwälte von Knox' damaligem Freund Rafaele Sollecito enden, anschliessend würden sich die Richter zu Beratungen zurückziehen.
Die 27-jährige US-Amerikanerin und der 30-jährige Italiener waren letztes Jahr zu 28 Jahren und sechs Monaten beziehungsweise zu 25 Jahren Knast verurteilt worden. Ihnen wird der Mord an der britischen Austauschstudentin Meredith Kercher vorgeworfen.
Beide legten Berufung ein und beteuerten ihre Unschuld. Möglich ist, dass die Richter die Verurteilung einzeln oder gemeinsam aufheben, sie bestätigen oder den spektakulären Fall wieder an ein anderes Gericht zurückverweisen.
Zugedröhnt, Erinnerungslücken
Für Aufregung sorgte die letzte Aussage Sollecitos. Entgegen vorherigen Statements will er sich jetzt plötzlich nicht mehr daran erinnern, dass Knox in der Tatnacht bei ihm war. Er sei zugedröhnt gewesen und habe Erinnerungslücken. Fällt er seiner Ex mit dieser Aussage in den Rücken und versucht nun seine eigene Haut zu retten?
Bei einer Bestätigung des Urteils klicken bei Sollecito vermutlich sofort die Handschellen. Den Pass haben ihm die Behörden wegen Fluchtgefahr bereits abgenommen. Bei Knox hingegen stellt sich die Frage, ob die USA einem Auslieferungsantrag zustimmen würden.
Im Gegensatz zu Sollecito ist sie heute nicht vor Gericht erschienen. Nach einem Freispruch 2011 flüchtete der «Engel mit den Eisaugen» ausser Landes. Als das Kassationsgericht 2013 den Freispruch wegen Rechtsfehlern kippte und Knox in einem neuen Prozess 2014 verurteilt wurde, war sie bereits in den USA.
Die Britin Meredith Kercher war Anfang November 2007 in der italienischen Stadt Perugia ermordet worden. Als einziger wurde in diesem Fall bisher der Ivorer Rudy Guede rechtskräftig verurteilt. Er sitzt wegen Beihilfe zum Mord 16 Jahre Haft ab. (mad/lex/SDA)