Auf Lesbos eskaliert die Flüchtlings-Krise
«Wir sind einer Explosion nahe»

An den Brennpunkten der Flüchtlingskrise in Griechenland, Mazedonien und Ungarn kommt es immer wieder zu Gewaltausbrüchen. Mehrere Menschen wurden verletzt. Zahlreiche Immigranten kollabieren vor lauter Erschöpfung.
Publiziert: 08.09.2015 um 19:41 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2018 um 18:18 Uhr
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Eine Frau bricht mitten im Tumult am Hafen von Mytilini auf Lesbos zusammen. Im Hintergrund halten Polizisten die verzweifelte Menge mit Schlagstöcken in Schach.
Foto: Reuters

Innert 24 Stunden haben gestern 7000 Flüchtlinge die griechisch-mazedonische Grenze überquert. Das sind so viele wie nie zuvor! Ein Ende des Ansturms ist nicht in Sicht: Auf den griechischen Inseln befinden sich 30'000 Migranten, die auf eine Überfahrt nach Westen warten, wie das Uno-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) mitteilt.

Die Situation an den Brennpunkten in Griechenland, Mazedonien und Ungarn ist angespannt. Immer wieder kommt es zu gewaltsamen Zusammenstössen zwischen Flüchtlingen und Polizisten, zwischen verschiedenen Flüchtlingsgruppen und zwischen Einwohnern und Flüchtlingen.

20'000 Flüchtlinge auf 85'000 Einwohner

Auf der griechischen Insel Lesbos stehen 85'000 Einwohner 20'000 Flüchtlingen gegenüber. Vor der Fähre in Richtung Festland gibt es immer wieder Tumulte, weil mehr Menschen an Bord wollen als Platz zur Verfügung steht. Die Polizei setzt Knüppel ein, um die Menge in Schach zu halten.

Am Sonntag nahm die Polizei zwei Jugendliche Inselbewohner fest, weil sie Brandsätze auf eine in einem Park schlafende syrische Familie geworfen haben sollen.

Der für Einwanderung zuständige Minister, Giannis Mousalas, schlägt Alarm: Lesbos sei «einer Explosion nahe».

Auch in Mazedonien geht die Polizei mit Knüppeln gegen Flüchtlinge vor. Wie ein Pressefotograf berichtet, verletzten die Beamten gestern mindestens drei Menschen.

Fussmarsch gestoppt

Die meisten Flüchtlinge reisen von Mazedonien über Serbien nach Ungarn. In einem Flüchtlingslager im Grenzort Röszke registrieren die ungarischen Behörden die Neuankömmlinge. Doch viele weigern sich, weil sie nicht in Ungarn bleiben wollen und befürchten, dass sie als Registrierte bei der Reise Richtung Westen wieder dahin zurückgeschickt werden.

In der Nacht auf heute durchbrach eine Gruppe von Hunderten Flüchtlingen mit vielen Frauen und Kindern in Röszke eine Absperrung, um auf der Autobahn Richtung österreichischer Grenze zu marschieren. Die Polizei liess sie zuerst gewähren, setzte dann aber doch Tränengas ein. Nach 15 Kilometern liessen sich die völlig übermüdeten Flüchtlinge schliesslich mit Bussen ins Flüchtlingslager in Röszke zurückbringen.

Wenig Nahrung, Durst, kein richtiger Schlafplatz. Die Flüchtlinge kommen häufig an die eingenen körperlichen Grenzen. Fotos aus Lesbos zeigen, wie Menschen inmitten des Tumults am Hafen der Inselhauptstadt Mytilini zusammenbrechen und von anderen Flüchtlingen notdürftig auf einem Stück Karton verarztet werden.

EU diskutiert über Verteilungsschlüssel

Die EU-Kommission will morgen einen Verteilungsschlüssel für 160'000 Flüchtlinge vorlegen, die über Italien, Griechenland und Ungarn in die EU eingereist sind. Deutschland und Schweden bestehen gemeinsam auf einer verbindlichen Quote. Derzeit nehmen beide Länder in der EU die meisten Asylbewerber auf. In Deutschland werden mindestens 800'000 Migranten erwartet, in Schweden mehr als 80'000. (noo/SDA)

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