Attentat bei Lyon
Islamist köpft seinen Chef

Gestern verübten mehrere Attentäter einen Anschlag auf eine Gasfabrik im Osten Frankreichs. Dabei enthaupteten sie einen Mann und hängten den Kopf an einen Zaun. Laut den Ermittlern ist der Tote Hervé C. († 54), ein Transportunternehmer, für den der Attentäter, Yassin Salhi (35), arbeitete.
Publiziert: 26.06.2015 um 21:02 Uhr
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Aktualisiert: 12.10.2018 um 15:47 Uhr
Von Georg Nopper

Schon wieder Frankreich! Gegen zehn Uhr fährt ein Kleinlaster mit zwei Insassen auf das Gelände eines Gaswerks der US-Firma Air Products in Saint-Quentin-Fallavier bei Lyon. Wenig später zeichnet eine Überwachungskamera auf, wie ein Mann an einem Zaun einen abgetrennten Kopf und Transparente mit islamistischen Parolen befestigt. Der Mann steigt daraufhin wieder ins Fahrzeug, rammt mehrere Gasflaschen – sie explodieren. Mehrere Menschen werden verletzt. Als der Täter auf ein Firmengebäude zurennt, «Allahu akbar» ruft und an weiteren Gasflaschen herumhantiert, kann er von herbeigeeilten Feuerwehrmännern überwältigt werden.

Was Polizeibeamte später finden, ist schrecklich: Der Körper des Opfers liegt Dutzende Meter weit entfernt vom abgeschlagenen Kopf. Laut den Ermittlern ist der Tote Hervé C. († 54), ein Transportunternehmer aus der Re­gion. Der Attentäter, Yassin Salhi (35), arbeitete für ihn. Ein zweiter Verdäch­tiger wird in der Nähe des Anschlagsortes festgenommen. Er fällt auf, weil er mehrmals vor dem Firmen­gelände hin- und herfährt.

Das Motiv des Täters? Für den französischen Präsidenten François Hollande (60) ist klar: Der Angriff ist ein «Terroranschlag». Salhi ist beim französischen Geheimdienst wegen seiner radikalen Haltung und seinen Verbindungen zur salafistischen Bewegung bekannt. 2006 ist er auf eine Liste der Sicherheitsbehörden gesetzt worden. 2008 wird er wieder herausgestrichen.

Der französische Radiosender Europe 1 macht die Ehefrau des Festgenommenen ausfindig. «Ich weiss nicht, was hier passiert», sagt sie. «Er ist ganz normal zur Arbeit gegangen.» Dass ihr Mann einen Terrorakt verübt habe, hält sie für unmöglich. «Wir halten den Ramadan ein und leben wie eine ganz normale Familie.» Schliesslich verhaftet die Polizei auch die Frau des dreifachen Familienvaters.

Die Polizei sucht fieberhaft nach möglichen weiteren Komplizen des Attentäters. Präsident Hollande kündigt an, für die betroffene Region Rhône-Alpes werde die Terrorwarnung auf die oberste Stufe angehoben. Für zunächst drei Tage. Damit sind umfassende Sicherungen und Kontrollen verbunden. Hollande appelliert an die Einheit der Nation. Das Land dürfe sich nicht durch unnütze Streitereien ablenken lassen. «In solchen Momenten ist Solidarität geboten. Es ist Zeit für Gefühle, aber Emotionen können nicht die einzige Antwort bleiben. Handeln, Prävention und Abschreckung sind angesagt, zugleich aber auch die Notwendigkeit, unsere Werte hochzuhalten und nicht der Furcht nachzugeben.» Der Präsident reist schnellstmöglich vom Griechenland-Krisengipfel in Brüssel zurück nach Frankreich.

Innenminister Bernard Caze­neuve (52) macht sich derweil direkt am Anschlagsort ein Bild von der Lage.

Für Deutschland sichert Innenminister Thomas de Mai­zière (61) dem Nachbarland Solidarität zu. Er warnt, auch in Deutschland sei die Bedrohungslage «ernst», ein Anschlag sei auch da nicht aus­geschlossen. Auch die Schweizer Bundespräsidentin Simo­netta  Sommaruga (55) verurteilt den Anschlag aufs Schärfste. «Wir müssen gegen Intoleranz, Extremismus und Terrorismus ankämpfen und wir dürfen uns von solchen Taten nicht einschüchtern lassen», sagt sie.

Frankreich wurde erst vor knapp einem halben Jahr durch die islamistische Anschlagsserie von Paris erschüttert: Im Januar töteten drei Islamisten bei Anschlägen auf die Satirezeitung «Charlie Hebdo», auf eine Polizistin und einen jüdischen Supermarkt im Grossraum Paris insgesamt 17 Menschen.

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