Es ist der Höhepunkt der Grausamkeiten. In der nordwest-syrischen Stadt Chan Scheichun kam es gestern Morgen zu einem Angriff mit Nervengift. Die vorläufige Bilanz: mindestens 72 Menschen sind qualvoll gestorben, darunter auch 20 Kinder. 400 Menschen sind schwer verletzt.
Besonders teuflisch: Die Täter verwendeten den Kampfstoff Sarin. Er wirkt nicht nur tödlich, wenn man ihn einatmet. Er kann – im Gegensatz etwa zu Chlorgas – auch von einem Menschen auf andere übertragen werden. Deswegen sind im Spital offenbar auch mehrere Ärzte und Krankenschwestern gestorben, als sie den Opfern helfen wollten.
Doch das Nervengift war noch nicht alles: Kurz nach dem Gasangriff bombardierte ein Jet das Spital, in dem die schwerverletzten Giftgasopfer behandelt wurden. Eine Rakete schlug am Eingang der Klinik ein und zerstörte Teile des Gebäudes.
Im Spital und auf der Strasse kümmerten sich Menschen um die Schwerverletzten. Bilder zeigen Kinder, die sich unter Atemnot gekrümmt am Boden wälzen. Sicherheitskräfte spritzen sie mit Wasser ab. Andere Bilder zeigen Leichen, die verdreht am Boden liegen. Im Spital arbeitet das Pflegepersonal mit Schutzkleidern. Ärzte und Schwestern versuchen, die Verletzten mit Sauerstoffmasken zu retten. Viele Patienten schäumen – der Beweis für Giftgas.
Teuflischer Gift-Terror
Die Täter sollen das Nervengift von einem Helikopter abgeworfen haben – laut Augenzeugen fielen tote Vögel vom Himmel.
Wer steckt hinter dem teuflischen Terror? Waren es zwei koordinierte Attacken oder fielen die Bomben per Zufall auf die Giftopfer?
Die EU-Aussenbeauftragte Federica Mogherini (43) sieht die «vorrangige Verantwortung» beim syrischen Machthaber Bashar al Assad (51). Die Vereinten Nationen hatten der syrischen Regierung vorgeworfen, in den vergangenen Monaten Chlorgas eingesetzt zu haben. Die syrische Regierung wies die Vorwürfe zurück und äusserte die Vermutung, dass ein Luftangriff auf Chan Scheichun ein Chemiedepot der Rebellen getroffen haben könnte. Zudem ist auch der IS im Besitz von Giftgas.
Der Arzt Shajul Islam (31) hielt gestern die Welt mit Tweets auf dem Laufenden. «Unser Spital füllt sich wegen des Sarin-Angriffs von heute.» Als Beweis für Sarin postete er ein Video, auf dem zu sehen ist, wie einem Patienten in die Augen geleuchtet wird. Islam schreibt dazu: «Keine Reaktion der geschlossenen Pupillen: Zweifelt ihr immer noch daran, dass Sarin verwendet wurde?»