Die Offensive der Türkei sorgt international für Beunruhigung: Nach Luftangriffen folgte heute der Vorstoss von Bodentruppen nach Syrien. Der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim sagte, die Armee habe am Sonntagmorgen von der Provinz Kilis aus die Grenze nach Syrien überschritten. Nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu rückten die Soldaten bei der «Operation Olivenzweig» mit Unterstützung der Freien Syrischen Armee (FSA) auf Afrin vor.
Dabei handelt es sich um eine kurdische Enklave im Nordosten Syriens, in der Kämpfer der kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) aktiv sind. Die Miliz ist der bewaffnete Arm der syrisch-kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD) – und diese wiederum ist ein syrischer Ableger der in der Türkei verbotetenen kurdischen Arbeiterpartei PKK.
Offensive gegen «Terror-Korridor»
Gestern hatte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan den Beginn der Boden- und Luftoffensive gegen die YPG verkündet. Nach Afrin werde es im weiter östlich gelegenen Manbidsch weitergehen. Die Türkei werde keinen «Terror-Korridor» an der Grenze dulden. Während die Türkei die YPG als Terrororganisation sieht, betrachten die USA die Miliz als wichtige Verbündete im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS).
Erdogan äusserte sich am Sonntag vor Anhängern in der Provinz Bursa im Nordwesten der Türkei. In seiner im Fernsehen übertragenen Rede sagte er, wer Demonstrationsaufrufen prokurdischer Kräfte gegen die Militäroffensive in Nordsyrien Folge leiste, werde dafür einen «sehr hohen» Preis bezahlen.
Mindestens zehn Tote
Dutzende Ziele in der Region Afrin wurden am Samstag zunächst aus der Luft und mit Artillerie beschossen. Zudem rückten nach Medienberichten Milizen der protürkischen Freien Syrischen Armee (FSA) in die Region vor.
Die YPG gaben die Zahl der Toten am Samstag mit zehn an. Unter ihnen seien sieben Zivilisten, darunter ein Kind. Ausserdem seien zwei weibliche und ein männlicher Kämpfer getötet worden.
Die türkische Armee sprach allgemein von Opfern, allerdings nur auf der Gegenseite. Ihren Angaben zufolge bombardierten Kampfflugzeuge unter anderem den von der YPG kontrollierten Militärflughafen Minnigh nördlich von Aleppo. Insgesamt seien 108 Ziele angegriffen worden. 72 Flugzeuge seien beteiligt gewesen und sicher zu ihren Stützpunkten zurückgekehrt. Auch IS-Ziele seien zerstört worden.
Assad spricht von «brutaler Aggression»
Afrin und das hundert Kilometer weiter östlich am Euphrat gelegene Manbidsch gehören zur halbautonomen Kurdenregion im Nordwesten Syriens. Ankara will einen Zusammenschluss der Kurdengebiete westlich und östlich des Flusses und damit die Entstehung einer eigenständigen Kurdenregion an der Südflanke der Türkei verhindern.
Nach Angaben des türkischen Aussenministers Mevlüt Cavusoglu hatte die Türkei den syrischen Staatschef Baschar al-Assad über das militärische Vorgehen in seinem Land informiert. Dieser Darstellung widersprach Syrien allerdings. Das Aussenministerium in Damaskus bewerte das Vorgehen als einen «erneuten türkischen Angriff auf Syriens Souveränität».
Assad verurteilte am Sonntag die «brutale türkische Aggression». Diese laufe auf eine «Unterstützung terroristischer Organisationen» hinaus. (SDA/lha)