Auf einen Blick
- Argentiniens Präsident Milei kritisiert WEF für linke Wokeness und Gender-Ideologie
- Milei sieht Verbündete in Elon Musk, Giorgia Meloni und Donald Trump
- WEF-CEO Brende besuchte Milei mit 50 Wirtschaftsvertretern in Argentinien
Javier Milei (54) ist der Dorn im Fleisch des WEF. Der argentinische Präsident, der sein Heimatland im ersten Amtsjahr mit einer radikalen Spar- und Anti-Korruptions-Kur wieder auf den wirtschaftlichen Erfolgskurs gebracht hat, macht das Weltwirtschaftsforum mitverantwortlich für den «Krebs der linken Wokeness», die sich durch Universitäten («Indoktrinierungs-Zentren»), Schulen, Firmen und ganze Regierungen fresse.
«Radikaler Feminismus, Diversität, Gender-Ideologie: Das sind alles Köpfe desselben Monstrums, das unsere Zivilisation, ja den Fortbestand unserer Spezies gefährdet», schmetterte Milei in den Saal. «Männer und Frauen sind heute schon gleich vor dem Gesetz. Frauen-Quoten und ähnliche Massnahmen sind nichts als ein Versuch, sich Privilegien zu schaffen.»
Schon bei seinem letztjährigen Auftritt am WEF kurz nach seiner Wahl zum Präsidenten sandte Milei regelrechte Schockwellen durch das Davoser Publikum, das sich von den Hunderten Panels und Veranstaltungen gesittete Debatten und diplomatische Floskeln, aber selten nur nackte Provokation gewohnt ist.
Elon Musk und die stille Mehrheit
Genau die aber liefert Milei (durchaus zur Freude seiner Anhänger, die am WEF zwar in Unterzahl sind, aber mit ihren «Make Argentina Great Again»-Hüten durchaus Präsenz markierten). Migration, ein nötiges Phänomen, von dem Länder wie die USA und Argentinien stark profitiert hätten, werde heute nicht mehr aus wirtschaftlichen Überlegungen begünstigt, sondern nur noch aus schlechtem Gewissen zugelassen. «Die zahlreichen Verbrechen von Migranten überall auf der Welt sind mitverantwortlich für den gesellschaftlichen Suizid, der uns droht», hetzte Milei.
Vor einem Jahr noch habe er sich mit seinen Ansichten allein gefühlt. Heute aber stünden Verbündete wie sein «sehr guter Freund» Elon Musk, Giorgia Meloni, Viktor Orban oder Donald Trump hinter ihm. «Wir werden die Gesellschaft von den woken Fesseln befreien. Wir machen den Westen great again! Die stille Mehrheit steht hinter uns.»
Milei präsentiert sich als Enfant terrible, das mit seinen Sticheleien vor allzu viel Selbstgefälligkeit bewahren will – das die «bubble» zum Platzen bringt, die politischen Echokammern zertrümmert. Milei tut das in der Manier eines vortragenden Ökonomieprofessors. Seine Kritik fusst auf einer verständlichen Frustration über eine Ideologie, die sich in den vergangenen Jahren relativ ungestört breitmachen konnte.
WEF-Verantwortliche kann sich Kritik nicht verkneifen
Gefährlich wird Milei da, wo er offenkundige Verschwörungstheorien in seine Überlegungen miteinbaut. So behauptete er in Davos etwa, die rumänischen Präsidentschaftswahlen, die das oberste Gericht wegen nachgewiesenen russischen Beeinflussungskampagnen annullieren liess, seien der «woken Links-Justiz» geschuldet. Das ist so falsch wie gefährlich.
Borge Brende, CEO des WEF, zeigte sich sichtlich stolz auf das Kommen des umstrittenen Stargasts, den er im vergangenen Jahr mit 50 Wirtschaftsvertretern in Argentinien besucht hatte und für den er das Davoser Publikum zu einem Spontanapplaus aufforderte. Nach der Rede: mehrheitlich stoische Ruhe im Raum, keine Standing Ovations, Verdatterung.
Fast schon korrigierend wirkte da der Eingriff von Marisol Argueta de Barillas, der ehemaligen Aussenmininsterin von El Salvador und heutigen Lateinamerika-Verantwortlichen des Weltwirtschaftsforums. Kurz nach Mileis Rede ergriff sie das Mikrofon und erinnerte das Publikum daran, dass Davos ein «Ort der freien Rede» sei. Das ist Diplomaten-Sprech für: «Heilige Maria, glaubt diesem Mann ja nicht alles!»