1,1 Billionen, also 1'100'000'000’000 US-Dollar: So viel kostet laut der Wirtschafts-Uni Kyiv School of Economics der Wiederaufbau der kaputten Ukraine. Nicht mit eingerechnet sind die Schäden, die Wladimir Putins (70) Truppen im Land erst noch verursachen werden. Ganz zu schweigen von der auf Jahrzehnte hinaus spürbaren Schwächung der ukrainischen Gesellschaft, die eine halbe Generation an den Krieg verloren hat.
Doch von Flaute keine Spur. «Jetzt ist genau der richtige Zeitpunkt, um in die Ukraine zu investieren», sagt Anna Derevyanko (46) zu Blick. «Was 2023 bringen wird, weiss niemand. Aber ich garantiere euch: In der Ukraine steckt ein riesiges Potenzial.»
Derevyanko ist Chefin der European Business Association, eines Zusammenschlusses von knapp 1000 ukrainischen und internationalen Firmen. Und sie hat die Initiative Global Business for Ukraine mitgegründet, ein in der Schweiz lanciertes Projekt, das ausländischen Unternehmen zeigen will, was die Ukraine alles draufhat: billige, gut ausgebildete Arbeitskräfte mitten in Europa und viel Erfahrung mit extrem schwierigen Umständen, für die man laufend neue Lösungen entwickelt hat.
Sogar Digital-Pionier Estland ist beeindruckt
Nirgendwo sei es so einfach wie in der Ukraine, eine Firma zu gründen, sagt Derevyanko. «Der Krieg hat viele Prozesse beschleunigt. Was früher Monate gedauert hat, geht heute in wenigen Minuten online.»
Möglich macht es die App «Diia», mit der alle staatlichen Serviceleistungen in der Ukraine bis 2024 digitalisiert werden sollen. Heiraten, Steuererklärung ausfüllen, Pass ausstellen oder eben eine Firma gründen: alles mit einer App rund um die Uhr möglich.
«Wir sind wie Israel», sagt Anna Derevyanko. «Schwierige Nachbarschaft, immer wieder Krieg – und vielleicht genau deshalb eine blühende IT-Industrie.» Die ukrainische Informatik-Branche ist 2022 um 25 Prozent gewachsen.
Claude Wild (58), Schweizer Botschafter in Kiew, sagt: «Punkto Digitalisierung ist die Ukraine der Schweiz um Längen voraus.» Ohne die Anschubfinanzierung, welche die Schweiz dem ukrainischen Ministerium für digitale Transformation (existiert seit 2019) gegeben hat, sähe es allerdings ganz anders aus. «Die Schweiz hat den Digitalisierungsschub erst möglich gemacht», sagt Wild zu Blick.
Ukraine-Flüchtlinge als Anti-Korruptions-Massnahme
Doch was ist mit der Korruption? Die Organisation Transparency International erachtet die Ukraine noch immer als zweitkorruptestes Land Europas (nach Russland). «Stimmt», sagt Iaroslava Savastieieva (33), Mitgründerin von Global Business for Ukraine. Doch den Kampf gegen die Korruption werde man gewinnen. «Unsere Digitalisierungs-Offensive sorgt dafür, dass korrupte Beamte nicht länger ihre Spielchen spielen können.»
Kommt dazu: Die Ukraine will in die EU. «Deshalb werden die faulen Äpfel im Staat jetzt radikal aussortiert», sagt Savastieieva. «Und dann sind da noch die Erfahrungen der sieben Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer, die fliehen mussten und temporär in anderen Ländern leben.» Die sähen jetzt, wie die Dinge anderswo laufen. «Nach ihrer Rückkehr werden sie sich Korruption in der Ukraine nicht mehr gefallen lassen», glaubt sie.