Die dänische Regierung kündigte an, Rechtsmittel gegen islamfeindliche Aktionen vor ausländischen Botschaften zu prüfen. Dabei ist vor allem die Sorge gross, dass islamistische Extremisten in den beiden nordischen EU-Ländern Attentate verüben könnten.
«Wir befinden uns in der schwersten sicherheitspolitischen Situation seit dem Zweiten Weltkrieg, und wir wissen, dass sowohl Staaten, staatsähnliche Akteure als auch Einzelpersonen die Situation ausnutzen können», schrieb der schwedische Ministerpräsident Ulf Kristersson bei Instagram. Er sei in engem Austausch mit seiner dänischen Kollegin Mette Frederiksen, deren Aussenminister Lars Løkke Rasmussen am Montag von einem «ziemlich hohen und erhöhten Bild der terroristischen Bedrohung» sprach.
Besonders heikel ist der Konflikt für Stockholm: Denn die Koranverbrennungen waren ein Grund, warum die Türkei eine schwedische Nato-Mitgliedschaft lange blockierte.
Die Latte für ein juristisches Vorgehen liegt aber hoch. In Dänemark und Schweden sind die Versammlungs- und die Demonstrationsfreiheit von der Verfassung stark geschützt. Auch deshalb verwarfen Gerichte in Stockholm ein von der Polizei verhängtes Verbot der islamfeindlichen Proteste. In den vergangenen Wochen fanden daraufhin mehrere Aktionen statt.
Obwohl es sich um äusserst kleine Kundgebungen einer Handvoll Menschen handelte und die Regierungen in Stockholm und Kopenhagen die Schändungen scharf verurteilen, kam es in muslimischen Ländern zu Massenprotesten. Im Irak stürmte ein Mob die schwedische Botschaft, die Botschafterin wurde ausgewiesen.
Die Organisation für Islamische Zusammenarbeit berief für Montag eine Sondersitzung ein. In einem Telefonat mit dem dänischen Aussenminister Løkke Rasmussen forderte Generalsekretär Hissein Brahim Taha mit Nachdruck, das skandinavische Land müsse Massnahmen ergreifen, um eine Wiederholung zu verhindern. Muslime verstehen die Aktionen als Hassverbrechen, die nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt sind.
Es ist nicht das erste Mal, dass islamfeindliche Aktionen in Skandinavien zu Wut und heftigen Protesten in der muslimischen Welt führen. 2005 lösten umstrittene Zeichnungen des Propheten Mohammed, etwa mit einer Bombe als Turban, eine gewaltsame Protestwelle mit Dutzenden Toten aus, bei der etwa dänische Botschaften angegriffen wurden. In Dänemark, wo vor allem der Karikaturist Kurt Westergaard im Mittelpunkt stand, folgte eine erbittert geführte Debatte über die Grenzen der Meinungsfreiheit.
Dieser Streit ist neu entfacht. Die Ankündigung sei ein Versuch, der Aufregung in der muslimischen Welt vorzubeugen, kommentierte der dänische Sender DR. Ziel sei, dass der Sturm nachlasse, «bevor er über unsere Köpfe hinwegfegt».
In Dänemark ist die Politik gespalten. Morten Messerschmidt von der rechtspopulistischen Volkspartei betonte, die Freiheit des Westens basiere auf dem Recht, eine Religion zu kritisieren und sich über sie lustig zu machen.
Der Vorsitzende der Konservativen Volkspartei, Søren Pape Poulsen, warnte vor weiteren Forderungen muslimischer Staaten, wenn die Regierung beim Verbot von Koranverbrennungen nachgebe. «Dies ist nur der erste Schritt», sagte er. Nach dem Tod des Mohammed-Zeichners im Sommer 2021 hatte die Zeitung «Jyllands-Posten» gefordert: «Kurt Westergaards Kampf für die Meinungsfreiheit darf nicht mit ihm sterben.»
Nun gilt es für die Regierungen abzuwägen, was stärker wiegt. Der dänische Parlamentspräsident Søren Gade, zur Zeit des «Karikaturenstreits» Verteidigungsminister, sagte, dänische Interessen und die Sicherheit der Dänen müssten Vorrang haben. «Ich kann mir nicht vorstellen, dass viele Dänen der Gedanke nicht schlafen lässt, dass sie keine heiligen Schriften anzünden dürfen.»
(SDA)