Seit Kriegsbeginn ist Präsident Wolodimir Selenski das Gesicht der Ukraine: Er trifft Regierungschefs, Parlamentarier, Hollywood-Stars, den Papst – immer mit einer scheinbar unerschöpflichen Energie, immer mit einer gewissen Herzlichkeit.
Das muss er auch: Er braucht von den westlichen Partnern Waffen, um sich gegen den Aggressor zu verteidigen – muss dabei aber versprechen, diese nicht zum Angriff gegen Russland zu nutzen.
«Russische Grenzstädte besetzen»
Doch Selenski kann hinter verschlossenen Türen auch anders, wie nun aus geleakten US-Geheimdienstdokumenten hervorgeht, in denen seine interne Kommunikation mit Top-Helfern und Militärführern detailliert beschrieben wird.
Die «Washington Post» berichtet, dass Selenski bei einem Treffen Ende Januar vorschlug, «Angriffe in Russland durchzuführen» und gleichzeitig ukrainische Bodentruppen in feindliches Gebiet zu verlegen, um «nicht näher bezeichnete russische Grenzstädte zu besetzen».
Angriffe auf russische Streitkräfte in Syrien
Dies steht in einem als «streng geheim» eingestuften Dokument. Ziel sei es, «Kiew in den Gesprächen mit Moskau Einfluss zu verschaffen», heisst es ferner in dem Dokument.
Waren dies nur Gedankenspiele oder ernsthafte Pläne?
In einem Dokument, über das die «Washington Post» berichtet, wird zum Beispiel ein überraschender Plan beschrieben, den der ukrainische Militärgeheimdienst im vergangenen Jahr entwickelt hatte. Mit geheimer kurdischer Hilfe sollten verdeckte Angriffe auf russische Streitkräfte in Syrien durchgeführt werden.
Im Dezember habe Selenski den Geheimdienst angewiesen, «die Planung für Operationen gegen russische Streitkräfte in Syrien einzustellen». Warum, ist unklar.
Wut auf Ungarn
Laut einem anderen geheimen Dokument schlug Selenski vor «nicht näher bezeichnete Einsatzorte in Rostow», einer Region im Westen Russlands, anzugreifen und dabei Drohnen einzusetzen.
Des Weiteren überlegte Selenski, die von der Sowjetunion gebaute Druschba-Pipeline, die Ungarn mit Öl versorgt, «in die Luft zu sprengen». In den Gesprächsprotokollen würde zudem immer wieder Selenskis Wut auf Ungarn deutlich, schreibt die «Washington Post» weiter. Das Pentagon habe die Echtheit der Dokumente nicht bestritten.
«Ich spiele nicht ‹Counter-Strike›»
Die «Washington Post» befragte Selenski, ob er vorgeschlagen habe, Teile Russlands zu besetzen. Selenski reagiert ungehalten, wies die Behauptungen des US-Geheimdienstes daraufhin als «Fantasie» zurück, verteidigte jedoch sein Recht, unkonventionelle Taktiken zur Verteidigung seines Landes anzuwenden.
«Ich habe eine Menge Generäle, mit denen ich zusammenarbeite», sagte Selenski der Zeitung. «Und dies sind meine persönlichen Gespräche.»
Und er greift die Reporter der «Washington Post» an, weil sie ihn zum Inhalt der Dokumente befragen: «Ist euer Ziel Russland zu helfen? Bitte hören Sie auf, mit mir Spielchen zu spielen. Ich bin der Präsident eines Kriegslandes, eines Landes im Krieg. Wissen Sie, ich spiele nicht ‹Counter-Strike›.»
Die Ukraine habe jedes Recht, sich selbst zu schützen, sagte er. «Wenn so viele Menschen gestorben sind und es Massengräber gab und unser Volk gefoltert wurde, dann bin ich mir sicher, dass wir alle Tricks anwenden müssen.»