Die politische Schlacht um den EU-Austritt hat in Grossbritannien ein Todesopfer gefordert. Das Königreich ist geschockt. Die pro-europäische britische Labour-Abgeordnete Jo Cox ist auf der Strasse angegriffen worden und an den Verletzungen gestorben.
Auch ein 77-jähriger Mann wurde angegriffen, aber nur leicht verletzt.
Augenzeugen berichteten laut Sky News, der Angreifer habe «Grossbritannien zuerst» und «Vorrang für das Vereinigte Königreich» gerufen. «Britain First» ist der Name einer rechtsgerichteten Gruppe, die sich im Internet als eine Art Bürgerwehr und «patriotische Partei» beschreibt.
Der Tod sei um 14.48 Uhr festgestellt worden, teilte die Polizeichefin von West Yorkshire, Dee Collins, mit. Ein 52-jähriger Mann war nach der Attacke im nordenglischen Birstall nahe Leeds als Tatverdächtiger festgenommen worden.
Killer schoss, stach und prügelte auf Cox ein
Die 41-jährige Cox, die für den EU-Verbleib geworben hatte, war laut übereinstimmenden Medienberichten in ihrem Wahlkreis von Kugeln getroffen worden und zusammengebrochen. Offenbar hat der Täter mindestens drei Mal auf sie geschossen, die Politikerin auch noch mit einem Messer attackiert und die blutende, am Boden liegende Frau getreten.
Die Attacke ereignete sich am Mittag vor den Augen bewaffneter Polizisten nahe einer Bibliothek in Birstall, wo sich die Mutter zweier Kinder oft mit Bürgern traf.
Der britische Premierminister David Cameron hat die Attacke auf Cox als Tragödie bezeichnet. «Sie war eine engagierte und warmherzige Parlamentarierin», schrieb der Parteichef der Konservativen auf Twitter. Er sei in Gedanken beim Ehemann und den beiden Kindern.
Noch vor der Bekanntgabe ihres Todes hatten Brexit-Befürworter und Pro-Europäer ihre Kampagnen gestoppt. Labour-Chef Jeremy Corbyn sagte, er sei «tief geschockt».
Der Ex-Bürgermeister von London und Brexit-Befürworter Boris Johnson schrieb: «Ich bin traurig und schockiert, von Jo Cox' Tod zu hören». EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker erklärte ebenfalls, er sei schockiert und denke an die Kinder und den Mann von Cox.
Beeinflusst der Polit-Mord die Brexit-Abstimmung?
Cox stand von Beginn an auf der EU-Seite, sie war an der Gründung der Organisation Britain in Europe beteiligt und begleitete zwei Jahre lang eine britische EU-Abgeordnete in Brüssel und Strassburg. Sie galt als grosse Hoffnung der linken Labour-Partei.
Ihr Ehemann, Brendan Cox, war Berater des damaligen Ministerpräsidenten Gordon Brown und politischer Direktor der Hilfsorganisation Save the Children.
Am Donnerstag kommender Woche stimmen die Briten über einen Verbleib ihres Landes in der EU ab. Die Brexit-Befürworter lagen in den letzten Umfragen 4 Prozentpunkte vor dem Pro-EU-Lager.
Angreifer soll psychisch krank sein
Mittlerweile ist klar: Der Täter soll nach Angaben seines Bruder psychisch krank sein. Eine US-Organisation will von Nazi-Sympathien des Festgenommenen wissen.
Der Bruder des 52-jährigen Festgenommenen berichtete in der Zeitung «Daily Telegraph» von einer langen Vorgeschichte psychischer Probleme des Mannes. «Es fällt mit schwer zu glauben, was passiert ist», sagte der er. «Mein Bruder ist nicht gewalttätig, und er ist nicht besonders politisch.» Der Bruder habe aber «eine Vorgeschichte psychischer Erkrankungen». Allerdings sei er in Behandlung gewesen.
In britischen Medien wurden auch Nachbarn zitiert, die den mutmasslichen Täter als Einzelgänger beschrieben, der meistens für sich geblieben sei. (SDA/bih/stj)