«Ich besuche Deine Mutter und werde Deinen toten Körper nicht essen.» Diese beiden Versprechen will José Salvador Alvarenga (38) seinem sterbenden Kollegen Ezequiel Cordoba (22) gemacht haben. Als der 22-Jährige dann tatsächlich seinen letzten Atemzug gemacht hatte und tot war, habe er ihn über Bord ins Meer gestossen.
Diese Version der dramatischen Geschichte wollen die Angehörigen von Cordoba nicht akzeptieren. Sie sind überzeugt, dass sich der Überlebende Alvarenga vom Fleisch ihres Liebsten ernährt hat und verlangen vor Gericht eine Million Dollar.
Mutter gab ihm zuerst keine Schuld
Den ersten Teil des Versprechens hat Alvarenga mit Sicherheit eingehalten. Nachdem er am 29. Januar 2014 nach 438 Tagen auf offener See auf den Marshallinseln endlich Land erreicht hatte, besuchte er Cordobas Mutter. «Ich will, dass alle wissen, dass ich Alvarenga auf keine Weise beschuldige», sagte Diaz Cueto damals bei dem Treffen. Das hat sich inzwischen offensichtlich geändert.
Alvarengas Anwalt ist überzeugt, dass es Cordobas Angehörigen um Geld geht. «Sie denken, dass mein Klient durch die Veröffentlichung des Buches von Jonathan Franklin über sein Drama auf See reich geworden ist», sagte Ricardo Cucalon zu «El Diario de Hoy». Tatsächlich hatte Cordobas Familie von Alveranga unlängst die Hälfte des Erlöses gefordert. Laut dem Anwalt verkauft sich das im November in den USA veröffentlichte Buch aber schlecht.
«Er schrie nach seiner Mutter»
Ob Kannibale oder nicht: Dass Alvarenga seine Odyssee überlebt hat ist unglaublich. Im Gespräch mit «Stern» erzählt er, wie er vor lauter Hunger seine Fussnägel gegessen und Schildkrötenblut getrunken hat. Und er erinnert sich an den Moment, als sein junger Begleiter starb.
«Er isst zu wenig. Ich fange Vögel und esse sie roh. Aber ihm wird davon schlecht», erzählt Alvarenga. «Er verweigert sich. Ich schneide ihm das Fleisch in Stücke, erwärme sie auf dem von der Sonne erhitzten Motor. Erst dann isst er. Aber wir fangen nicht genug.»
Trotz allen Bemühungen sei Cordoba immer schwächer geworden. «Er schrie nach seiner Mutter. Und: Haie werden mich fressen.» Nach etwa zwei Monaten sei er gestorben.
«Ich sagte im Scherz: An Dir ist nichts dran»
Sechs Tage lang habe er sich vorgestellt, sein Freund sei noch am Leben, erinnert sich Alvarenga. Er habe ihn stabilisiert, dass er nicht umgefallen sei, habe ihn umarmt und mit ihm geredet. Am sechsten Tag habe er ihm die Kleider ausgezogen und die Leiche ins Meer geschoben. Dann sei er ohnmächtig geworden.
Zu den Spekulationen der Medien, er habe Cordobas Fleisch gegessen, sagt Alvarenga: «Lieber würde ich sterben.» Kannibalismus sei zwischen ihnen ein Thema gewesen. Cordoba habe ihn gefragt, ob er ihn essen würde. Er habe im Scherz geantwortet: «An Dir ist nichts dran.»
Er sei heute körperlich okay, sagt Alvarenga: «Ich habe lediglich einen Leberschaden.» Nachts wache er oft auf und sei im Traum auf dem Meer. Allein sein könne er nicht mehr. Das Licht lasse er nachts immer an. «Ich will nur mein einfaches Leben zurück.»
Zur See fahren will Alvarenga nie mehr. (ant)