Anders als angenommen
Milchstrasse ist nicht homogen durchmischt

Ein Forschungsteam unter Leitung der Universität Genf hat mittels Beobachtungen festgestellt, dass eine bislang angenommene These über unsere Galaxie nicht stimmt: Der Grad der chemischen Anreicherung des Gases schwankt im interstellaren Raum überraschend stark.
Publiziert: 08.09.2021 um 17:22 Uhr
Künstlerische Darstellung der Milchstrasse: Das von aussen in die Galaxie einströmende Gas (violett) vermischt sich nicht effizient mit dem bereits vorhandenen Gas des interstellaren Raums. Deshalb weist das Gas nicht überall die solare Metallizität auf (Vergrösserung).
Foto: Mark A. Garlick

Die sogenannte Metallizität ist ein Mass für die Häufigkeit von Elementen, die schwerer sind als Wasserstoff und Helium. In Sternen schwankt dieser Wert um mehrere Grössenordnungen. Doch theoretische Modelle gingen bisher davon aus, dass die Metallizität des Gases zwischen den Sternen überall in der Milchstrasse die solare Metallizität aufweist, also dieselbe Menge an schweren Elementen wie die Atmosphäre unserer Sonne.

Dem widerspricht ein internationales Forschungsteam um Annalisa De Cia von der Universität Genf nun: Die Gase des interstellaren Raums seien mitnichten homogen durchmischt, berichten die Astronominnen und Astronomen im Fachmagazin «Nature». Diese Entdeckung spiele eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung theoretischer Modelle über die Entstehung und Entwicklung von Galaxien, sagte der Genfer Letztautor Jens-Kristian Krogager gemäss einer Mitteilung der Hochschule.

Der interstellare Raum enthält von Sternexplosionen herausgeschleuderte Materie, kosmische Staubkörner und Gase, die die Galaxie von aussen speisen. Dabei sei der Anteil an schweren Elementen durch die ganze Galaxie hindurch gleichmässig verteilt, mit einem leichten Anstieg der Metallizität im Zentrum der Galaxie, so lautete die bisherige These. Diese Annahme basierte auf der Vermutung, dass sich durch die hohe Rotationsgeschwindigkeit der Galaxie das hineinströmende Gas im Nu mit dem bereits vorhandenen Gas mische, sagte die Astronomie-Professorin De Cia im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.

Die Forschenden gingen dem mit Beobachtungen auf den Grund: Mithilfe des Hubble-Weltraumteleskops und dem Very Large Telescope (VLT) in Chile bestimmten sie, wie viel der schweren Elemente wie Eisen, Zink, Titan, Silizium und Nickel sich in Richtung von 25 Sternen befinden, der fernste Stern lag 9000 Lichtjahre weit weg.

Dabei fanden die Forschenden heraus, dass die Metallizität, beziehungsweise die chemische Zusammensetzung, in den untersuchten Regionen um den Faktor Zehn schwankt. Durchschnittlich betrug der Wert gerade einmal etwas mehr als die Hälfte der solaren Metallizität, einige Regionen wiesen sogar nur 17 Prozent der solaren Metallizität auf. Diese Unterschiede entstehen wohl deshalb, «weil sich neues, in die Galaxie hineinströmendes Gas mit dem bereits vorhandenen Gas nicht effizient vermischt», so De Cia.

Ein hoher Anteil an schweren Elementen im interstellaren Gas erleichtert die Bildung von Sternen, Planeten und Molekülen. Doch neue Sterne können auch in Regionen entstehen, wo das Gas eine viel geringere chemische Zusammensetzung aufweist. «Bislang war es ein astronomisches Rätsel, wieso sich in unserer Galaxie noch immer solche Sterne bilden, weil bisherigen Modellen zufolge die Metallizität homogen über die gesamte Milchstrasse verteilt war», sagte die Genfer Forscherin: «Unsere Messungen zeigen jedoch, dass dies nicht der Fall ist.» Das Phänomen liesse sich nun mit der schwachen Durchmischung des frisch eingespeisten Gases erklären.

https://www.nature.com/articles/s41586-021-03780-0

(SDA)

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