Zwischen Mai 2019 und Februar 2020 hätten die beiden Streitkräfte im Nordwesten des Bürgerkriegslandes mindestens 18 solcher Angriffe verübt. In dem am Montag veröffentlichten Amnesty-Bericht ist von Angriffen auf fünf Kliniken die Rede, die anschliessend hätten schliessen müssen.
Der 40 Seiten lange Bericht stützt sich auf Interviews mit mehr als 70 Menschen, darunter Augenzeugen, Vertriebene, Ärzte, Lehrer, humanitäre Helfer und UN-Mitarbeiter. Die Forscher werteten für Amnesty ausserdem Fotos und Videos sowie Satellitendaten, Funkverkehr und Angaben von Flugzeug-Beobachtern aus. Die UN-Vertretungen Syriens und Russlands reagierten auf Anfragen der Organisation zu den Vorwürfen nicht.
Unter den 18 Angriffen auf Schulen und Krankenhäuser waren Amnestys Recherchen zufolge unter anderem zwei mit international geächteten Fassbomben durch syrische Truppen. Dazu kamen Luftangriffe syrischer und russischer Jets. Amnesty spricht von «ernsthaften Verstössen gegen humanitäres Völkerrecht», Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Sie seien Teil einer «etablierten Methode» der Regierung von Präsident Baschar al-Assad (54) im mehr als neunjährigen Bürgerkrieg.
Angriffe auf «zivile Infrastruktur»
Bei den russischen und syrischen Luftangriffen werden immer wieder auch Krankenhäuser und andere lebenswichtige Infrastruktur in Syrien getroffen. Russland ist in dem Konflikt ein wichtiger Verbündeter der syrischen Regierung. Russische Jets hatten im September 2015 mit Angriffen auf (zumeist von Islamisten beherrschte) Rebellengebiete begonnen. Mit russischer Hilfe ist es der Regierung gelungen, wichtige Gebiete wieder einzunehmen.
Auch im UN-Sicherheitsrat sind die Angriffe auf zivile Einrichtungen regelmässig Thema. Bundesaussenminister Heiko Maas (53) hatte die Attacken der syrischen Truppen und Russlands auf die Zivilbevölkerung im Februar als Kriegsverbrechen gebrandmarkt und Konsequenzen gefordert. Assad und Russland «bombardieren zivile Infrastruktur», sagte Maas in einer Sitzung des höchsten UN-Gremiums.
Streubomben
«Ich fühlte mich so hilflos», sagte ein Arzt gegenüber Amnesty, der einen Luftangriff auf ein Krankenhaus im Ort Ariha in der Provinz Idlib Ende Januar überlebte. Elf Zivilisten seien getötet worden, darunter einer seiner Kollegen. «Mein Freund und Kollege im Sterben, draussen schreiende Kinder und Frauen - wir waren alle gelähmt.» Der Zivilschutz habe zwei Tage gebraucht, um die Leichen aus Trümmern der zerstörten Wohngebäude in Nähe der Klinik zu bergen.
Eine Lehrerin beschrieb gegenüber Amnesty, wie eine Streubombe sie verletzte und einen Schüler vor ihren Augen tötete. «Ich kenne das Geräusch von Streubomben sehr gut», sagte sie über den Angriff in Idlib Ende Februar. «Man hört eine Reihe kleiner Explosionen. Als würde es Granatsplitter statt Wasser vom Himmel regnen.» (SDA)