Er wirkt pummelig. Wie das Kid, das an der Schule geneckt wird. Doch er ist ein Held. Kendrick (✝18) hatte sich am 7. Mai im Klassenzimmer in Denver auf einen Mitschüler geworfen, der seine Waffe zückte und loszufeuern begann. Die anderen konnten sich unter ihren Tischen verstecken oder fliehen. Kendrick starb. Er liebte Jeeps. Bei seiner Abdankung erwiesen 800 «Jeepers» ihrem Helden die letzte Ehre.
Die Woche davor überwältigte der 21-jährige Umweltstudent Riley Howell (✝) einen Amokschützen, der in seiner Uni in Charlotte zu schiessen begann. Riley habe den Schützen «von den Beinen gerissen», sagte der örtliche Polizeichef Kerr Putney. Auch Howell zahlte seinen Heldenmut mit dem Leben. «Aber seine Aufopferung rettete Leben», so der Polizeichef.
Märtyrer, die als Helden für Unschuldige sterben: Im Februar letztes Jahr starben beim Parkland-Schulmassaker in Florida drei Lehrer, die sich schützend vor Schüler stellten. Die Liste geht weiter. Nie wurden an US-amerikanischen Schulen so viele Menschen bei Amokläufen von Schüssen getötet wie 2018. Die Blutbäder traumatisieren das Land. Die Polizei scheint machtlos und die mächtige Waffenlobby NRA («National Rifle Association») sorgt schon dafür, dass Amerikaner Waffen haben.
«Run, hide, fight»
Der Polizei bleibt, auf Zivilcourage von Bürgern zu hoffen. Student Riley habe genau das getan, was man den Leuten beizubringen versuche, so Polizeichef Putney: «Entweder du rennst davon, versteckst und schützt dich, oder du kämpfst mit dem Angreifer.»
«Run, hide, fight», erklärte der Politikwissenschaftler Robert Spitzer der Nachrichtenagentur AFP. «Flieh, versteck dich, kämpfe», laute die Empfehlung. Heldengeschichten wie die der Lehrer, von Kendrick und Riley, die unbewaffnet Schützen stoppen, so denkt Spitzer, ermutigen mehr Menschen zum Handeln.
Waffen sind Kult in Amerika. Aufrufe nach Blutbädern, Schusswaffen strikter zu regulieren, verhallen schnell ungehört. Viele Amerikaner haben eine starke Bindung an ihre Schusswaffen und die US-Waffenlobby NRA hat mächtige Verbündete, darunter Präsident Donald Trump. Der fordert noch mehr Waffen im Land. Letztes Jahr sagte Trump, wenn Konzertbesucher bei der Bataclan-Terrorattacke 2015 in Paris bewaffnet gewesen wären, hätten nicht 90 Menschen sterben müssen.
Mehr US-Tote durch Schusswaffen als Kriege
Und wie lobte Trump den «sehr mutigen» 55-jährigen Stephen Willeford, der mit seinem Gewehr einen ehemaligen Soldaten verfolgte, der bei einer Sonntagsmesse in Texas 25 Menschen getötet hatte. Willeford verwundete den Attentäter und servierte ihn der Polizei auf dem Silbertablett.
In den USA sind in den letzten 50 Jahren mehr Menschen durch Schusswaffen umgekommen als in allen Kriegen Amerikas, inklusive II. Weltkrieg. Schiessereien gehören zur Tagesordnung, die Öffentlichkeit nimmt sie kaum mehr wahr. Die Webseite Gun Violence Archives zählt allein dieses Jahr schon 19'590 Schiessereien mit 5'103 Toten und fast 10'000 Verletzten. Zahl der «mass shootings»: 125, mit 131 Toten.
Die Zahlen klettern fast stündlich. Amerikas Antwort: Es wünscht sich mehr Helden. (kes)