Am Dienstag trifft er sich mit Trump
Kim vor dem Ziel

Am Dienstag sitzen sich der Präsident und der Diktator erstmals gegenüber. Für Kim Jong Un geht es um die Existenz, für Donald Trump zählt ein schneller Erfolg. Eine gefährliche Ausgangslage.
Publiziert: 10.06.2018 um 17:45 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2018 um 01:20 Uhr
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September 2017: Kim Jong Un beobachtet den Abschuss einer nordkoreanischen Rakete.
Foto: KCNA
Johannes von Dohnanyi

Das Inselchen heisst Sentosa und liegt vor der Küste Singapurs. Hier soll am Dienstag Geschichte geschrieben werden. 65 Jahre nach dem Ende des Koreakriegs wollen US-Präsident Donald Trump und der nordkoreanische Machthaber Kim Jong Un das Fundament für einen Friedensvertrag legen.

Es wird jedenfalls mühsam. Ganz am Ende des nun beginnenden Prozesses aber könnten Nordkoreas Atombomben und Raketen verschrottet und die US-Wirtschaftssanktionen aufgehoben sein.

Zumindest der Name des Begegnungsorts ist vielversprechend: Auf Malaiisch steht das Wort «Sentosa» für Friede, Ruhe und Gelassenheit. Gerade Letzteres werden Trump und Kim brauchen.

Für Nordkorea steht alles auf dem Spiel

Denn der Gipfel darf nicht scheitern: Nach dem ergebnislosen G7-Gipfel in Kanada gestern und fünf Monate vor den US-Halbzeitwahlen für den Kongress braucht Donald Trump dringend einen aussenpolitischen Erfolg. Für Kim geht es beim Gipfel auf Sentosa um alles. Um politisch und physisch zu überleben, muss der 34-jährige Diktator bei den Verhandlungen im Luxushotel Capella drei Kernforderungen durchsetzen:

- Nur wenn die USA seinem Regime die verlangten Sicherheitsgarantien geben, kann Kim einer einseitigen und sich über mehrere Phasen erstreckenden atomaren Abrüstung zustimmen.

- Der nordkoreanische Diktator, von Trump noch vor einem Jahr als «kleiner Raketenmann» verhöhnt, erwartet sichtbaren Respekt, eine Begegnung auf Augenhöhe. Nur dann kann er zu Hause die plötz­liche Abkehr von der jahrzehntelangen Politik der Feindseligkeiten erklären.

- Schliesslich setzt Kim Jong Un auf ein schnelles Ende der Sank­tionen. Denn seit auch China das vom Uno-Sicherheitsrat verfügte Handelsverbot befolgt, droht Nordkoreas Volkswirtschaft der endgültige Kollaps.

Ein Ende der Strafmassnahmen verlangt Pjöngjang bereits seit über 15 Jahren. Aber erst Kim Jong Un ist so weit gekommen, diese Forderungen einem US-Präsidenten Auge in Auge zu stellen.

2004 gestand Abdul Kadir Khan, der Chefentwickler des pakistanischen Atomwaffenprogramms, den Verkauf geheimer Atomwaffenpläne an Nordkorea. Im Feb­ruar 2005 liess Kim Jong Uns Vater, Kim Jong Il, bekannt geben, sein Land verfüge über einsetz­bare Atomwaffen.

Ein Jahr später testete Pjöngjang nach eigenen Angaben erstmals eine solche Bombe. Seit 2012, dem ersten Jahr nach der Machtübernahme durch Kim Jong Un, bezeichnet sich das Land offiziell als Atommacht. Heute verfügt Nordkorea ungefähr über 60 Nuklearbomben und die dazugehörigen Trägerraketen.

Kim ist am Drücker

Nun ist das Land nicht mehr erpressbar, jetzt geht es anders­herum: Kim Jong Un hat Donald Trump zur Reise nach Singapur gezwungen.

Für den Diktator geht es darum, seine Karten klug zu spielen. Das getrübte Verhältnis zu Chinas starkem Mann Xi Jinping hat er rechtzeitig geklärt. Kim braucht den Chinesen als Gegenpol zur eindimensionalen Weltsicht von Donald Trump.

Umgekehrt erhofft sich der Diktator amerikanische und südkoreanische Unterstützung gegen allzu grosse Bevormundung aus Peking.

Auf Frieden mit dem «grössten Dealmacher aller Zeiten» gibt Kim Jong Un nur etwas, wenn das Ergebnis seinen Interessen dient. Der Nordkoreaner kennt sich mit den Kobras, Pythons, Giftspinnen und bissigen Affen aus, die früher die kleine Insel vor Singapur bewohnten.
Die Malaien nannten das Eiland übrigens einst «Pulam Blakang Mati» – die Insel des hinterlistigen Todes.

Alles ist möglich, wenn Donald Trump und Kim Jong Un sich dort am Dienstag tatsächlich die Hand ­reichen.

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