Nach den ersten Regionalwahlen herrscht in Frankreich Entsetzen: Marine Le Pen (47) und ihr rechter Front National haben alle Parteien hinter sich gelassen und 28 Prozent der Stimmen geholt. Auch Le Pens Nichte Marion (25) punktete: Sie führt in der Region Provence-Alpes-Côte d’Azur die FN-Liste an. Zeitungen schreiben von einem «Schock».
Der Front National verfolgt vor allem ein Ziel: Les Français d’abord – die Franzosen zuerst. Bei diesem Programm gäbe es viele Verlierer. Klaus Armingeon vom Institut für Politikwissenschaft an der Uni Bern zählt auf: Reduktion der Zuwanderung, Infragestellung der EU-Mitgliedschaft und der Eurozonen-Mitgliedschaft, Kündigung des Schengen-Abkommens, Schutzzölle für Landwirtschaft und Industrie, Einschränkung für den Bau von Moscheen, Kopftuchverbot, Erschwerung der Abtreibung, Verbot von Homo-Ehen.
In Deutschland kommentiert die Zeitung «Bild»: «Die Franzosen werden bitter enttäuscht sein. Das ist nicht gut für Frankreich, nicht für Europa und erst recht nicht für Deutschland.»
Allerdings ist Hysterie fehl am Platz. Experten glauben nicht, dass Le Pens Erfolgsgeschichte weitergeht. Am kommenden Sonntag ist die zweite Runde der Regionalwahlen. Dann dürfen nur noch Parteien antreten, die am vergangenen Sonntag über zehn Prozent der Stimmen erhalten haben.
Nino Galetti, Leiter des Pariser Auslandbüros der deutschen Konrad-Adenauer-Stiftung, zu BLICK: «Le Pens Wählerpotenzial ist ausgeschöpft. Es gibt keine demokratische Partei, die für den FN eine Wahlempfehlung abgeben wird.» Die Sozialisten ziehen sich in gewissen Kreisen sogar zurück, um die bürgerlichen Républicains zu stärken.
Klaus Armingeon verweist auf die nationalen Wahlen 2017: «Regionalwahlen sind auch eine Möglichkeit, der Regierung oder den grossen Parteien eine Ohrfeige zu erteilen, weil die Zusammensetzung der regionalen Institutionen nicht so wichtig ist. Wenn es dann bei den nationalen Wahlen um die Wurst geht, werden viele Le Pen-Wähler eher für eine gemässigte Partei votieren.»
Sowohl Galetti als auch Armingeon bezweifeln, dass Marine Le Pen 2017 zur Staatspräsidentin gewählt wird.
Für Klaus Armingeon ist aber klar, dass sich die anderen Parteien bewegen müssen: «Es wird kaum möglich sein, die Probleme zu ignorieren, für die der Front National vermeintlich einfache Lösungen anzubieten hat.»