Vergeblich hoffte die Welt darauf, dass in Syrien am 1. August mit dem Übergangsprozess eine neue, stabile Ära anfängt. Auf diesen Termin hatten sich USA und Russland vor Wochen geeinigt. Stattdessen eskaliert die Schlacht um Aleppo immer mehr. Erst letzten Sonntag begannen die Rebellen eine neue Offensive, um die Stadt im Norden ganz zu erobern und den Diktator Baschar al-Assad bedeutend zu schwächen.
Aleppo war bis zum Bürgerkrieg die grösste Stadt Syriens – mit über zwei Millionen Einwohnern grösser als die Hauptstadt Damaskus. Heute ist die dortige Lage selbst für Nahost-Experten nicht einfach zu analysieren. Man ist sich jedoch einig, dass 300'000 Menschen unter dem unerbittlichen Machtkampf in der Stadt leiden. Leiden, weil Assad zusammen mit den Russen die Macht in der ehemaligen Wirtschaftsmetropole unweit der Türkei übernehmen will.
Dagegen kämpfen seit Jahren mehrere Rebellengruppen, die in ihrer Ideologie kaum unterschiedlicher sein könnten. Zu den wichtigen Gegnern von Assad und Russland zählt etwa die neue islamistische Fatah-al-Sham-Front, die aus der bekannten Al-Kaida-nahen Nusra-Front entstand. Gegen Assad kämpfen jedoch auch Kurden und gemässigte Muslime.
Bei einem Luftangriff in der Nähe der umkämpften nordsyrischen Metropole Aleppo ist nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte ein Flüchtlingslager getroffen worden. Mindestens zwei Kinder seien dabei getötet worden, teilte die Organisation heute mit.
Ort des Massensterbens
In Syrien gilt: Der Sieg in Aleppo dient als psychologisches Signal. Wer die Stadt verliert, verliert auch Syrien. Umso härter ist deshalb auch der Kampf.
Aleppo war bis zum Ausbruch des Bürgerkriegs 2011 beliebtes Touristenziel. Wöchentlich belebten unzählige Flohmärkte die Strassen, breite Alleen waren von grünen Bäumen gesäumt. Bauten aus dem Mittelalter wurden Luxus-Hotels und lockten Gäste aus aller Herren Länder nach Syrien.
Heute erkennt man die Stadt kaum wieder. Aktuelle Bilder zeigen Schutt, so weit das Auge reicht. Täglich versuchen Helfer Verletzte aus den Trümmern zu retten, um sie in die Spitäler zu bringen, die es noch gibt. Nebst wichtigen Strassen wurden auch diese bombardiert. Die Lebensmittel werden immer knapper. Hilfsorganisationen wie World Vision forderten die Weltgemeinschaft auf, Aleppo nicht zu einem «weiteren Ort des Massensterbens» werden zu lassen.
Vertreter des russischen Militärs kündigten an, Hilfskorridore einrichten zu wollen. Ob diese wirklich der Hilfe dienen und überhaupt existieren, ist umstritten. Anfang Woche kritisierten die Hilfsorganisationen Russland deswegen: Aleppos Bewohner dürften nicht vor die Wahl gestellt werden, entweder zu fliehen oder in der Stadt bombardiert zu werden.
Und ausserhalb von Aleppo warten Angreifer verschiedener Couleur. Berichten zufolge soll dort mit Giftgas gekämpft werden. Die internationale Politik lässt derweil auf sich warten. (pma/sda)