Aleppo ist gefallen
«Die Welt hat moralisch versagt»

Aussenminister Didier Burkhalter will nach der Rückeroberung Aleppos durch das Regime die humanitäre Hilfe verstärken. Dauerhafter Frieden sei nicht ohne politische Lösung möglich, so der Bundesrat.
Publiziert: 15.12.2016 um 10:31 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 01:50 Uhr
Aussenminister Didier Burkhalter ruft zu politischer Lösung für Syrien auf.
Foto: Pascal Mora
Interview Joël Widmer

BLICK: Herr Bundesrat Burkhalter, Aleppo ist gefallen. Was mit der Zivilbevölkerung passiert, ist unklar. Was denken Sie, wenn Sie die schrecklichen Nachrichten über Tote und Verfolgte hören und die Bilder der Zerstörung sehen?
Didier Burkhalter:
Die Schweiz muss in jeder Krise ohne Unterlass die Menschenrechte in Erinnerung rufen. Und sie muss sich für die leidenden Menschen engagieren. Darauf konzentriere ich mich, heute wie gestern: Hilfe vor Ort sicherstellen und intensivieren – so wie das unsere Verfassung im Falle einer solchen Katastrophe verlangt.

Hat der Westen zu wenig getan, um die Gräuel zu verhindern?
In der Syrienkrise hat die Weltgemeinschaft moralisch versagt. Wir haben es nicht geschafft, Menschenleben höher zu gewichten als geostrategische Interessen. Das ist die harte Realität. Darum muss unser Land alle diplomatischen und humanitären Anstrengungen unternehmen, um der Welt zu helfen, auf den Weg des Friedens und des Rechts zurückzukehren.

Welche Rolle hat die Schweiz im Syrienkonflikt?
Wir unterstützen die Vermittlungsbemühungen der Uno. Die Vermittlungsdelegation in Genf kann auf unser Land und Schweizer Experten zählen. Zudem ist dank der Grosszügigkeit der Schweizerinnen und Schweizer die grösste humanitäre Hilfsaktion unserer Geschichte im Gang. Dafür bedanke ich mich. Bisher konnten wir 250 Millionen Franken in Syrien und den Nachbarländern einsetzen. Im nächsten Jahr werden es nochmals 66 Millionen sein. Damit unterstützen wir internationale Organisationen vor Ort wie das IKRK und die Uno-Ernährungsorganisation FAO. Wir unterstützen aber auch kleine Programme, die besonders effizient und mutig sind. Schliesslich helfen wir direkt vor Ort, etwa mit der Lieferung von Ambulanzen nach Aleppo.

Was kann die Schweiz nun tun, um weiteres Leid zu verhindern?
Da eine politische Lösung blockiert ist und der Krieg wütet, haben wir entschieden, die humanitäre Hilfe nochmals zu verstärken. Einerseits bei der Nothilfe, andererseits durch die Unterstützung jener Länder, die Flüchtlinge aufnehmen. Besonders setzen wir uns dafür ein, den Zugang zu Schulen, Arbeit und sauberem Wasser zu verbessern. Und schliesslich wollen wir die Rolle der Schweiz stärken, wenn es darum geht, besonders Hilfsbedürftige zu erreichen. So versuchen wir derzeit, eine dauerhafte Niederlassung für die humanitäre Hilfe in Damaskus zu eröffnen. Wir sind dankbar, dass das Parlament die dafür vorgesehenen Mittel spricht.

Können Sie eine Lösung skizzieren, die Syrien Frieden bringen würde?
Derzeit räumen die an diesem Drama beteiligten Parteien militärischen Aspekten Priorität ein. Aber ein dauerhafter Frieden, der den Wiederaufbau Syriens erlaubt, ist nicht ohne politische Lösung möglich. Das heisst im Klartext: Das Syrien der Zukunft muss den verschiedenen Teilen des Landes Raum lassen, eine Aufteilung der Macht sowie eine Verhandlungslösung für den Übergang akzeptieren. Daher stellt die Schweiz beständig das internationale Genf für Verhandlungen zur Verfügung. Und darum bieten wir unsere Guten Dienste an.

Die Fragen wurden schriftlich beantwortet.

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