Al-Bakrs (†22) Suizid ist nur die Spitze des Eisbergs
Die Pannen-Polizei von Sachsen

Zuerst die gute Nachricht: Ein Anschlag in Deutschland wurde verhindert. Dennoch ist der Suizid des Terror-Verdächtigen al-Bakr der Höhepunkt einer Reihe von peinlichen Pannen der Polizei in Sachsen.
Publiziert: 13.10.2016 um 10:16 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 05:02 Uhr
Kripo-Einsatzfahrzeuge vor einem Wohnblock im Leipziger Stadtteil Paunsdorf.
Foto: EPA/Hendrick Schmidt

Deutsche Politiker von links bis rechts zeigen sich fassungslos über den Suizid des syrischen Terror-Verdächtigen Dschaber al-Bakr (†22). Nach Angaben des «MDR» soll er sich mit dem T-Shirt erhängt haben (BLICK berichtete).

Die Familienministerin Manuela Schwesig fragt: «Was ist da los?!». CDU-Politiker Jan-Marco Luczack sagt zu «Bild»: «Der mutmassliche Attentäter hätte vielleicht wertvolle Hinweise zu den Aktivitäten oder Strukturen des IS geben können.»

Dschaber Al-Bakr (†22) hat sich in seiner Zelle das Leben genommen.
Foto: Polizei Sachsen

Der Freitod ist ein Versagen der Behörden – und es ist nicht das erste. Zwar konnte man ein Anschlag verhindern, das muss man der Polizei in Sachsen zugute halten. Ansonsten haben sie sich in dem Fall aber nicht mit Ruhm bekleckert. Es ist der peinliche Höhepunkt einer unsäglichen Pannenserie.

Panne 1: Die Flucht

Seit Wochen haben die Nachrichtendienste Hinweise auf einen geplanten Anschlag. Tage vor dem Zugriff am 8. Oktober ist Dschaber al-Bakr als Hauptverdächtiger identifiziert. Die Ermittler haben ihn beim Kauf von Heisskleber beobachtet – möglicherweise die letzte Chemikalie für eine Bombe.

Obwohl sie Ermittler wissen, mit wem sie es zu tun hatten, kann al-Bakr entkommen. Er hat im Vorfeld von der Razzia Wind bekommen.

Die Beamten geben beim Zugriff lediglich einen Warnschuss ab. Angeblich sind sie wegen der schweren Kampfmontur unfähig, den Bombenbastler zu verfolgen. Einen Fahndungsring der Polizei um das Gelände gibt es offensichtlich nicht.

Panne 2: GSG9-Einsatz versäumt

Der Generalbundesanwalt hat es abgelehnt, das Verfahren vom Verfassungsschutz zu übernehmen. Dabei hätten speziell geschulte Mitglieder der Elite-Einheit GSG 9 eingesetzt werden können. Stattdessen musste das Landeskriminalamt in Sachsen in aller Eile den Einsatz vorbereiten. Er ging entsprechend in die Hose.

Panne 3: Trotz Kameras nicht erkannt

Der Syrer flüchtet nach Leipzig und sucht in mehreren bekannten Internet-Foren bei Landsleuten nach Unterschlupf. Den Ermittlern gelingt es nicht, ihm auf die Schliche zu kommen. Am Hauptbahnhof Leipzig trifft er die Männer, die ihm einen Schlafplatz angeboten haben – doch trotz dutzender Überwachungskameras kann er dort nicht identifiziert werden.

Panne 4: Auf Mithilfe von Syrern angewiesen

Selbst fassen können die Polizisten al-Bakr nicht – sie brauchen die Mithilfe dreier Syrer, die ihn den Polizisten in ihrem Wohnzimmer gefesselt übergeben. Beim Polizei-Notruf soll es Verständigungs-Schwierigkeiten gegeben haben, so dass die Syrer ein Foto es Verdächtigen schicken mussten.

Panne 5: Suizid im Gefängnis

Und nun der Freitod. Die Behörden wussten vom Risiko. Al-Bakr hatte randaliert und war zuvor in den Hungerstreik getreten. Gemäss Informationen der «Bild»–Zeitung wurde der Hochrisiko-Gefangene nur im Stundentakt überwacht. Jetzt wird ermittelt, wie das passieren konnte.

Kritik nach Pegida-freundlichem Einsatz

Die sächsische Polizei hat ohnehin einen angeschlagenen Ruf. Zuletzt machten sie beim Besuch von Angela Merkel zu den Feierlichkeiten des Tags der deutschen Einheit in Dresden eine schlechte Figur: Hunderte Wutbürger pöbelten die Kanzlerin und ihre Entourage an, vor den Kameras und den Augen der Welt. Ein dunkelhäutiger Gast in der Frauenkirche wurde mit Affenrufen begrüsst. Die Polizei liess sie gewähren. Ein Plakat mit einem Goebbels-Zitat wurde nicht beschlagnahmt.

Am selben Tag verlas ein Polizist in Dresden die Auflagen für Pegida-Demonstranten und sagte dann: «Wir wünschen einen erfolgreichen Tag für sie». Die Teilnehmer, unter ihnen Rechtsextreme, jubelten: «Eins, zwei, drei, danke Polizei.» Die sächsische Polizei distanzierte sich später von der Äusserung, sie entspreche «nicht unserer Philosophie». (rey)

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