Aktion von 350 Redaktionen sorgt für Riesenwirbel
Wer ist der Feind des Volkes?

Die abgestimmte Aktion von rund 350 Zeitungshäusern hat in den USA viel Aufmerksamkeit erregt. Der US-Senat hat sich mit einer Resolution geschlossen hinter die Presse gestellt. Präsident Donald Trump (72) reagierte auf Twitter empört. Auf der Redaktion der Zeitung «Boston Globe» gingen Bombendrohungen ein. Medienexperten schätzen für BLICK den kollektiven Vorstoss ein.
Publiziert: 17.08.2018 um 04:25 Uhr
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Aktualisiert: 08.10.2018 um 14:29 Uhr
Zeitungen wehren sich gegen Trumps Kritik
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«Fake-News-Medien sind die Oppositionspartei»:Zeitungen wehren sich gegen Trumps Kritik
Nicola Imfeld, San Diego

Seit Donald Trump (72) Anfang Januar 2017 ins Weisse Haus einzog, sehen sich amerikanische Journalisten fast täglich verbalen Attacken ihres Präsidenten ausgesetzt. Kritische Berichterstattungen gegenüber der US-Regierung werden von Trump pauschal als «Fake News» abgetan.

In den vergangenen eineinhalb Jahren kam es vor, dass der US-Präsident auf seinem eigenen Twitter-Profil ein Video veröffentlichte, das ihn im Faustkampf gegen CNN zeigt. Oder er bezeichnete einen Journalisten eines anderen unliebsamen TV-Senders als «verschlafener Hurensohn».

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In einer abgestimmten Aktion sind am Donnerstag in mehr als 350 Tageszeitungen Leitartikel erschienen, die die Gefährdung der Pressefreiheit durch den Präsidenten anprangerten.

Etwa 350 US-Zeitungen nahmen an Aktion teil

Seit Donnerstag ist die schwierige Beziehung zwischen den US-Medien und Donald Trump (72) um ein weiteres Kapitel reicher. Diesmal war es aber nicht der Präsident, der zum Angriff geblasen hat, sondern die Journalisten. 

In einer abgestimmten Aktion erschienen in mehr als 350 Tageszeitungen Leitartikel, die die Gefährdung der Pressefreiheit durch den Präsidenten anprangerten. Die Aktion wurde von der traditionsreichen Zeitung «Boston Globe» angestossen. Nationale Tageszeitungen wie die «New York Times», aber auch kleine lokale Blätter beteiligten sich am Vorstoss. Bemerkenswert: Auch konservative Redaktionen waren mit im Boot. 

Ihr aller Hauptkritikpunkt: Trump bezeichnet kritische Berichterstattungen pauschal als «Fake News». Somit rüttele er an den «Grundpfeilern der Demokratie», weil er die Rolle der Presse als Kontrollinstanz zu untergraben versuche. Auch warfen ihm die Zeitungshäuser vor, vorsätzlich Lügen in die Welt zu setzen. 

Alle 100 US-Senatoren stellen sich gegen Trump

Die Aktion hat in den USA viel Aufmerksamkeit erregt. Unter dem Hashtag #FreePress diskutierten Zehntausende Twitter-User über die Rolle der Medien. Ex-US-Aussenminister John Kerry stellte sich auf dem Kurznachrichtendienst hinter die Journalisten: «Glauben Sie mir, die Orte, an denen die Presse angegriffen wird, sind auch die Orte, an denen andere Freiheiten gefährdet sind. Nehmen Sie es nie als selbstverständlich hin.»

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Auch die Volksvertreter zeigten sich vom gemeinsamen Vorstoss der amerikanischen Presse beeindruckt. Der US-Senat verabschiedete noch am Donnerstag eine gemeinsame Resolution. Darin heisst es: «Die Presse ist nicht der Feind des Volkes». Pikant: Damit widersprechen alle 100 Senatoren (!) ihrem Präsidenten, der die Medien wiederholt als «Feind des Volkes» auf Twitter beschimpft hat. 

In der Resolution heisst es weiter, dass die Medien «wesentlich für die demokratischen Fundamente der Vereinigten Staaten» sei. Angriffe auf die Presse seien zudem als «Angriffe auf unsere demokratischen Institutionen» zu werten.

«Gebildete Öffentlichkeit ist Hüterin der Demokratie»

Der renommierte US-Medienwissenschaftler Todd Gitlin zeigt sich gegenüber BLICK hocherfreut über die grosse Tragweite der Aktion. «Dieser gemeinsame Aufstand gegen Angriffe auf unsere Demokratie sind bemerkenswert und eindrucksvoll. Es zeigt: Der kritische Journalismus in den USA lebt.» Gitlin erklärt, es sei wichtig, dem US-Präsidenten gewisse Grenzen aufzuzeigen. «Trump mag Streitereien. Er hat in der kritischen Presse einen Widersacher gefunden, den er für seine Wählerschaft bewirtschaften kann.» Auch wenn man Trump mit solchen Aktionen vielleicht gar in die Karten spiele, sei es wichtig, zu insistieren. «Das ist die Aufgabe der Journalisten. Und heute haben sie ihre Aufgabe erfüllt.» 

Auch Bey-Ling Sha, Direktorin der Journalistenschule an der San Diego State University, findet die Idee der Redaktionen grossartig: «Viele Stimmen zusammen sprechen lauter als eine einzelne Stimme allein.» Sha hofft, dass diese kollektive Aktion der Rolle des Journalismus bei der Aufklärung der Öffentlichkeit gerecht wird. «Denn eine gebildete Öffentlichkeit ist die wahre Hüterin der Demokratie.» 

«Wall Street Journal» kritisiert die Aktion scharf

Neben dem vielen Lob gibt es aber auch vereinzelt kritische Stimmen. Das renommierte «Wall Street Journal» hat sich ganz bewusst gegen eine Teilnahme entschieden. In einer Kolumne weist das Blatt darauf hin, dass ein kollektiver Vorstoss nicht im Sinne der Wahrung der Unabhängigkeit der Zeitungshäuser sei. Ausserdem habe Trump genauso das Recht auf freie Meinungsäusserung wie seine Gegner.

Am Donnerstagabend sind bei der Boston-Globe-Redaktion, die die Aktion initiiert hat, Bombendrohungen eingegangen. Die Polizei habe die Drohungen zwar nicht allzu ernst genommen, dennoch aber die Sicherheitsvorkehrungen verschärft. Dies berichteten mehrere US-Medien.

Trump bezeichnet Presse als «Oppositionspartei»

Der Präsident nahm mit einer Reihe an Tweets bereits am Donnerstagmittag Stellung. Trump bezeichnete die Presse abermals als «Fake-News-Medien». Sie seien die «Oppositionspartei». «Es ist sehr schlecht für unser grossartiges Land. Aber wir gewinnen.» 

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Trump legte nach: «Es gibt nichts, was ich mir mehr für unser Land wünsche, als die wahre Freiheit der Presse.» Tatsache sei, dass die Presse schreiben und sagen könne, was sie will. «Aber vieles von dem, was sie sagt, ist Fake News.» Er wirft den Zeitungshäusern vor, eine politische Agenda zu verfolgen oder einfach nur «Menschen verletzen zu wollen».

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Auf die Reaktion von Trump angesprochen sagt Medienwissenschaftler Todd Gitlin: «Es ging nicht darum, die Meinung des Präsidenten oder seiner treuen Wähler zu ändern. Das ist zurzeit nicht realistisch.» Viel mehr ging es darum, ein Zeichen in der breiten Öffentlichkeit für freie Presse zu setzen. «Und das ist den Journalisten gelungen», so Gitlin. 

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