Afghanistan
Viele Tote und Verletzte bei Explosionen an Beerdigung in Kabul

Kabul – Bei einer Trauerfeier in der afghanischen Hauptstadt Kabul sind am Samstag zahlreiche Menschen durch Explosionen getötet oder verletzt worden. Unter den Teilnehmern war auch Regierungschef Abdullah Abdullah. Er bliebt unverletzt.
Publiziert: 03.06.2017 um 18:02 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 09:50 Uhr
Anlässlich einer Trauerfeier in Kabul für einen bei Anti-Regierungsprotesten vom Freitag getöteten Mann ist es zu drei Explosionen gekommen. Dabei kamen am Samstag mehrere Personen ums Leben.
Foto: KEYSTONE/AP/MASSOUD HOSSAINI

Über die Zahl der Opfer am hochrangig besuchten Begräbnis herrschte zunächst Unklarheit. Ein Sprecher des Gesundheitsministeriums sprach von sechs Toten. 119 Menschen seien verletzt in Kliniken gebracht worden. Ein Polizist dagegen berichtete von bis zu 20 Toten. Die Explosionsursache war unklar.

Betroffen war die Trauerfeier für Mohammed Salem Isedjar, der Sohn eines prominenten Politikers, der bei den Protesten gegen die Regierung am Freitag getötet worden war. Anwesend waren eine Reihe hochrangiger Regierungsvertreter, darunter der Regierungsgeschäftsführer und ehemalige Aussenminister Abdullah Abdullah. Laut seinem Büro blieb er unverletzt. Präsident Aschraf Ghani schrieb im Kurzbotschaftendienst Twitter: «Das Land wird angegriffen. Wir müssen zusammenstehen.»

Zu den Tätern gab es zunächst keine Hinweise. Die radikalislamischen Taliban wiesen in einer Botschaft über einen WhatsApp-Kanal jegliche Beteiligung zurück. Abdullah Abdullah sprach im Fernsehen von drei Selbstmordattentätern, die sich unter die Trauernden gemischt hätten.

Bomben auf Begräbnisse sind in Afghanistan nicht neu. Manchmal töten Attentäter absichtlich eine prominente Figur, um beim Begräbnis eine grössere Zusammenkunft weiterer bekannter Führer anzugreifen.

Bei gewaltsamen Zusammenstössen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften waren am Freitag in Kabul neben Isedjar mindestens drei weitere Menschen getötet worden. Die Polizei setzte scharfe Munition, Tränengas und Wasserwerfer gegen die Regierungskritiker ein, die aus Ärger über den verheerenden Anschlag vom Mittwoch auf die Strasse gegangen waren und den Rücktritt der Regierung forderten.

Mit dem Vorfall stieg die Zahl der durch Anschläge ums Leben gekommenen Menschen in Kabul in nur vier Tagen auf mindestens 110. Erst am Mittwoch waren bei einem Sprengstoffanschlag in Kabul mindestens 90 Menschen getötet und mehr als 400 verletzt worden. Der Anschlag ereignete sich im hochgesicherten Diplomatenviertel; auch das Kooperationsbüro der Schweizer Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) wurde beschädigt.

Vor den Explosionen am Samstag hatten die Behörden aus Sorge, dass es weitere Anschläge geben könnte, Strassen im Stadtzentrum gesperrt. Es gebe Geheimdiensthinweise darauf, dass «unsere Feinde erneut versuchen, Versammlungen oder Demonstrationen anzugreifen», sagte ein Garnisonskommandant. Er rief die Menschen auf, nicht zu protestieren.

Dennoch versammelten sich erneut dutzende Demonstranten in der Nähe des Präsidentenpalasts. Sie forderten Ghanis Regierung auf zurückzutreten. Die Vereinten Nationen in Afghanistan forderten die Demonstranten zur Zurückhaltung auf. In einer Erklärung der US-Botschaft hiess es, die «Feinde wollen den Volkszorn und die -trauer manipulieren, um Spaltung und Instabilität zu säen». Doch sie würden nicht siegen.

Die Sicherheitslage hat sich in Afghanistan seit dem Abzug der meisten internationalen Truppen Ende 2014 stark verschlechtert. Die radikal-islamischen Taliban kontrollieren mittlerweile nach US-Militärangaben rund elf Prozent des Landes. Knapp 30 Prozent sind umkämpft. Die afghanischen Sicherheitskräfte erleiden Rekordverluste, und seit Anfang 2016 sind mehr als 760'000 Zivilisten vor der Gewalt aus ihren Dörfern geflohen.

Die staatliche deutsche Organisation für Entwicklungshilfe, GIZ, flog nach dem Bombenanschlag in Kabul vom Mittwoch nahezu ihr gesamtes deutsches und internationales Personal aus Afghanistan aus. Von rund 100 deutschen und internationalen Fachkräften blieben noch rund zehn Mitarbeiter.

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