Opferzahlen könnten noch steigen
Bei dem mehr als 17 Stunden dauernden Taliban-Angriff auf eines der grössten Hotels in Kabul wurden nach offiziellen Angaben 18 Zivilisten getötet. Unter ihnen sind laut Innenministerium 14 Ausländer und vier Afghanen. Ausserdem wurden nach Behördenangaben alle sechs Angreifer getötet. Zehn Menschen - alle Afghanen - seien verletzt worden. Die internationale Staatengemeinschaft verurteilte den Angriff scharf.
Es war zunächst unklar, ob die Liste der Opfer noch länger wird. Der Sender Tolo TV meldete etwa unter Berufung auf eine «verlässliche Quelle», es seien etwa 43 Menschen ums Leben gekommen. Regierungssprecher sind dafür bekannt, Opferzahlen für die Öffentlichkeit klein zu halten.
Die afghanische Regierung identifizierte bis zum Abend ein ausländisches Todesopfer als Kirgisen, einen als Griechen und sechs als Ukrainer. Das ukrainische Aussenministerium bestätigte am Sonntag aber nur ein ukrainisches Opfer. Drei weitere ausländische Todesopfer habe man noch nicht identifizieren können.
Was passierte im Hotel?
Die Angreifer waren am Samstagabend nach 21.00 Uhr (Ortszeit) durch die Küche in das Hotel eingedrungen. Der Augenzeuge Mumtas Ahmed, Teilnehmer einer IT-Konferenz im Hotel, erzählte der Nachrichtenagentur dpa, dass er drei bewaffnete Männer durch das Erdgeschoss habe laufen sehen.
Die Attentäter seien von Tür zu Tür gerannt und hätten gezielt nach Regierungsbeamten und Ausländern gesucht. Dann hätten sie in die Zimmer geschossen. Die Zahl der Opfer sei «viel höher» als offiziell von der Regierung angegeben, sagte Ahmed.
Viele der ausländischen Opfer arbeiteten offenbar für eine grosse afghanische Fluglinie, Kam Air, die das Hotel als Basis für ihre Piloten und Kabinencrews genutzt hatte. Auch der afghanische Generalkonsul in der pakistanischen Metropole Karachi wurde als Opfer identifiziert.
Die Nachrichtenagentur Pajhwok berichtete vom Tod eines Mitglieds des Hohen Friedensrates. Der Rat soll mit den Taliban Friedensverhandlungen führen.
Behörden bestätigten, dass im Hotel zum Zeitpunkt des Angriffs eine Hochzeitsfeier im Gang gewesen sei. Ausserdem waren mehr als 100 Menschen für eine Konferenz afghanischer Computerexperten angereist. Insgesamt hätten die Spezialkräfte in der Nacht und am Morgen 153 Menschen aus dem Hotel gerettet, unter ihnen 41 Ausländer, sagte ein Behördensprecher.
Der Sender Tolo TV schilderte die Geschichte von Hassib, 20, der als Kellner in einem der Hotelrestaurants arbeitete. Zwei der Angreifer seien zunächst wie normale Gäste in das Restaurant gekommen und hätten um Essen gebeten. «Sie trugen sehr schicke Kleidung», sagte Hassib. «Sie setzten sich, und ich habe ihnen Essen serviert. Dann haben sie Waffen gezogen und angefangen, auf die Leute zu schiessen.»
Bis zum Sonntagmittag lieferten sich die Islamisten Gefechte mit Sicherheitskräften - zuletzt in der obersten Etage des fünfstöckigen Hauses. Aufnahmen des Senders Tolo TV zeigten dramatische Szenen von Hotelgästen, die am Morgen offenbar dort noch gefangen waren und versuchten, über Balkone zu entkommen.
Kritik an Sicherheitsmassnahmen
Die Sicherheitsvorkehrungen am Hotel Inter-Continental waren offenbar eher lax. Nach Behördenangaben war unklar, wie die Angreifer an den Wachleuten des Hotels vorbeikommen konnten. Den Wachdienst hatte demnach vor drei Wochen eine Privatfirma übernommen. Ein Hotelangestellter sagte der Nachrichtenagentur AFP, die neuen Wachleute seien bei dem Angriff davongerannt.
Die Taliban bekannten sich per E-mail zu der Tat und sagten, fünf ihrer «heiligen Krieger» hätten das Hotel überfallen und Dutzende ausländische und afghanische Feinde getötet.
2011 hatte es bei einem Selbstmordattentat im Inter-Continental, zu dem sich die Taliban bekannten, 21 Tote gegeben. Im März 2014 waren bei einem Angriff auf das Luxushotel Serena in Kabul neun Menschen getötet worden, darunter ein AFP-Journalist.
Die Sicherheitslage in der afghanischen Hauptstadt hat sich seit dem Ende der Nato-Kampfmission im Dezember 2014 stark verschlechtert. 2017 gab es dort mehr als 20 schwere Anschläge der Taliban und der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) mit mehr als 500 Toten.