AfD ist CDU bei Landtagswahl in Sachsen-Anhalt auf den Fersen
Komme, was rechts ist

Der heutige Urnengang in Sachsen-Anhalt ist die letzte Landtagswahl vor der Bundestagswahl im September. In den letzten Umfragen holten die Rechtspopulisten auf. Politologin Ursula Münch warnt davor, sich mit einer einfachen Erklärung abzufinden.
Publiziert: 06.06.2021 um 13:18 Uhr
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Das Bild zur politischen Lage: Sachsen-Anhalt wählt vor allem zwischen CDU und AfD.
Foto: keystone-sda.ch
Fabienne Kinzelmann

Sachsen-Anhalts grüne Insel erstreckt sich von Altstadt über Herrenkrug und Kreuzhorst bis Zipkeleben. Hier im Magdeburger Wahlkreis II hat Madeleine Linke (29) bei der Landtagswahl heute Sonntag beste Chancen, als Direktkandidatin in den Landtag einzuziehen. Die Grüne ist nicht nur in ihrer Partei, sondern auch unter fast allen anderen Parteien (SPD, FDP und Linke) landesweit die Einzige, der das gelingen könnte – die Dominanz der CDU zu brechen. Und jene der AfD.

Im Rest des ostdeutschen Bundeslandes herrscht ein Zweikampf zwischen den Christdemokraten und den Rechtspopulisten. Und der wird immer enger. Lag die CDU, die mit Reiner Haseloff (67) den aktuellen Ministerpräsidenten stellt, lange deutlich vor der AfD, könnte es nun doch knapp werden. Die neuste Umfrage sieht die AfD (26 Prozent) nur noch einen Prozentpunkt hinter der CDU. Die anderen Parteien rangieren bei 7 bis 12 Prozent.

«Wir haben es mit Menschen zu tun, die teilweise in einer Form diktatursozialisiert sind, dass sie auch nach 30 Jahren nicht in der Demokratie angekommen sind», urteilte der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Marco Wanderwitz (45), vor kurzem knallhart über den hohen Anteil AfD-Wähler. Nur ein geringer Teil sei «potenziell rückholbar», man könne darum nur «auf die nächste Generation» hoffen.

Nicht nur die Alten wählen AfD

«Die Aussagen sind ein Armutszeugnis», sagt die Politologin Ursula Münch (60), Direktorin der Akademie für Politische Bildung in Tutzing (Bayern), zu SonntagsBlick. Politiker müssten sich viel stärker den Ursachen widmen.

Als «Osten des Ostens» bezeichnet die «Zeit» Sachsen-Anhalt: Der Niedergang der Grossindustrien war hier nach 1990 besonders brutal, die Arbeitslosigkeit besonders hoch.

Die Ostdeutschen hätten aufgrund dessen mehr Angst vor Veränderung, sagt Politologin Münch. Gesellschaftlicher Wandel – etwa durch Zuwanderung oder die Pandemie – würde stärker abgelehnt als im Westen. «Weil man schon erlebt und erfahren hat, wie sehr sich das auf die persönliche Biografie auswirkt.»

Auch ein Blick auf die Zahlen beweist: Es sind nicht nur die Alten, die AfD wählen. Am stärksten sind die Rechten bei Männern zwischen 35 und 55 Jahren.

«Das Gefühl, nicht adäquat berücksichtigt zu werden, scheint sich immer stärker zu artikulieren und wird auch von Generation zu Generation weitergegeben», sagt Münch.

CDU-Abgeordnete flirten mit AfD

Dass rund ein Viertel der 2,2 Millionen Einwohner mit den Extremisten liebäugelt, ist ein Teufelskreis. Strukturelle Probleme wie der Lehrermangel und die medizinische Versorgung verschärfen sich so. Wie will ein Land mit einer starken Rechten Fachkräfte aus dem In- und Ausland gewinnen?

Ministerpräsident Reiner Haseloff stemmt sich gegen die AfD, befindet sich aber im Dilemma. Dass seine «Kenia-Koalition» mit SPD und Grünen gehalten hat, gilt als kleines Wunder. Nicht wenige CDU-Abgeordnete würden lieber mit der AfD zusammenspannen als noch mal mit den Grünen. Innenminister Holger Stahlknecht (56) schlug im vergangenen Dezember offen eine von der AfD tolerierte Minderheitsregierung vor – Haseloff schmiss ihn am selben Tag aus dem Amt.

Obwohl Sachsen-Anhalt vergleichsweise klein ist, schaut auch Bundesberlin auf die Wahl am heutigen Sonntag. Es ist die letzte Landtagswahl vor der Bundestagswahl im September. Schneidet die CDU schlecht ab – oder verliert sie gar gegen die AfD –, wäre das ein Tiefschlag für Parteichef und Kanzlerkandidat Armin Laschet (60).

Immerhin ist die Gefahr von rechts auf Bundesebene deutlich niedriger. Hier dümpelt die AfD nach ihrem Hoch in der Flüchtlingskrise aktuell nur bei etwa 10 Prozent.

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