Gestern Abend waren es 200'000 Unterschriften. Heute Morgen 800'000. Und gegen Samstagmittag sinds schon über eine Million. Die Onlinepetition für eine neue Abstimmung über den Austritt aus der EU erhält rasanten Zuspruch.
Die Briten wollen nicht nur eine zweite Chance, sondern auch andere Regeln. So soll in einer so wichtige Frage wie dem Brexit die eine oder andere Seite mindestens 60 Prozent der Stimmen erreichen, statt knapp 52 Prozent wie gestern. Zudem muss die Stimmbeteiligung mindestens bei 75 Prozent liegen - sonst ist das Votum ungültig.
Vor allem junge Briten konnten es am Freitagmorgen nicht fassen, dass «die Alten» ihnen mit einem Ja zum Brexit die Zukunft im vereinten Europa verbaut haben. Allerdings muss hier auch gesagt sein, dass die junge Stimmbevölkerung meistens nur schwer zu mobilisieren ist. Statt nach einer verlorenen Abstimmung Petitionen zu unterschreiben, wären lieber mehr Pro-Europäer an die Urne gegangen.
Ob die Petition Chancen auf Erfolg hat, ist mehr als ungewiss. Zwar debattiert das Parlament die meisten Anliegen, die mindestens 100'000 Unterschriften haben. Es gibt aber einen Haken. Weiter heissts beim Parlament: «Wir könnten uns allerdings dagegen entscheiden, eine Petition zu debattieren, wenn das Anliegen erst kürzlich Gegenstand der Debatte war oder wenn eine Debatte darüber in naher Zukunft ansteht.»
Zudem ist ungewiss, ob es wirklich 1 Million Briten sind, die unterschrieben haben. Schliesslich steht die Petition im Netz und kann von Bürgern aller Länder ausgefüllt werden.
Hauptstädter fordern #londependence
In einer zweiten Petition fordern mehr als 100'000 Leute die Unabhängigkeit für ihre Hauptstadt London. Die Brexit-Gegner möchten, dass das Londoner Ergebnis entsprechend gewürdigt wird.
«London ist eine internationale Stadt, und wir wollen im Herzen Europas bleiben», heisst es auf dem Portal change.org. «Diese Petition fordert Stadtpräsident Sadiq Khan auf, die Unabhängigkeit Londons zu erklären, und sich für eine Mitgliedschaft in der EU zu bewerben - inklusive der Mitgliedschaft in der Schengen-Zone (Hmm, über den Euro reden wir dann noch...).»
Die Initiatoren haben auch schon ein Schlagwort für die sozialen Netzwerke: #londependence, eine Mischung aus London und Independence, also Unabhängigkeit. «Lasst uns, statt bei jeder Wahl passiv-aggressiv gegeneinander abzustimmen, die Scheidung offiziell machen und mit unseren Freunden auf dem Kontinent zusammenziehen», schreiben sie. «Stadtpräsident Sadiq, wären Sie nicht lieber Präsident Sadiq? Machen Sie es wahr!»
Die Londoner haben, wie die Schotten auch, mehrheitlich für den Verbleib Grossbritanniens in der Europäischen Union gestimmt. In den meisten englischen Wahlkreisen waren die Brexit-Gegner aber in der Mehrheit. Insgesamt hatten sich in dem Referendum rund 52 Prozent der Briten für den Ausstieg aus der Union ausgesprochen. (bö/SDA)