«Menschliches Versagen»: Iran räumt «versehentlichen» Abschuss von ukrainischem Flugzeug ein
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Menschliches Versagen:Iran gesteht «versehentlichen» Abschuss von Boeing 737 ein

Abschuss von Flug PS752
Darum gibt der Iran jetzt alles zu

Vier Tage nach dem Abschuss der ukrainischen Boeing gibt der Iran zu, die Boeing mit 176 Menschen an Bord abgeschossen zu haben. Präsident Rohani spricht von einem «katastrophalen Fehler», und gleichzeitig beschuldigt das Regime auch die USA.
Publiziert: 11.01.2020 um 14:45 Uhr
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Aktualisiert: 15.01.2020 um 10:22 Uhr
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Ukrainische Ermittler an der Absturzstelle.
Foto: AFP
Marsel Szopinski

176 Menschenleben wurden am Mittwochmorgen bei Teheran ausgelöscht. Die ukrainische Boeing 737-800 wurde inmitten des Konflikts zwischen den USA und dem Iran von einer iranischen Luftabwehrrakete abgeschossen.

Zunächst hat das iranische Regime einen solchen Abschuss geleugnet – von «psychologischer Kriegsführung» gegen den Iran war die Rede. Ein «technischer Defekt» stand im Vordergrund.

Am Samstag herrscht nun Gewissheit: Es war ein «katastrophaler Fehler», räumt Irans Präsident Hassan Rouhani ein. Was führte zu dieser Kehrtwende?

1. Der internationale Druck wurde zu gross

Am Donnerstag zeigten die USA, Kanada und Grossbritannien geschlossen mit dem Finger auf den Iran. Laut Informationen unterschiedlicher Geheimdienste deutete alles schon zu diesem Zeitpunkt auf einen «versehentlichen Raketenabschuss» hin. Eine längerfristige Leugnung des Abschusses hätte der Glaubwürdigkeit Irans weiter geschadet. Deshalb erscheint das Geständnis nützlich.

2. Die erschlagende Beweislast

Mit dem Druck geht auch die Beweislage einher: Die Auswertungen der Blackbox und die internationale Untersuchung dauern weiterhin an und werden wohl die Schuld des Irans untermauern.

Die iranische Regierung legt das Unglück derzeit wie folgt dar: Das Land habe sich in Alarmbereitschaft befunden. Die ukrainische Maschine sei nicht als solche erkannt worden, sondern als Marschflugkörper. Aufgrund eines «Defekts im Kommunikationssystem» habe der zuständige Offizier das der Zentrale nicht mehr melden können - er habe nur 10 Sekunden Zeit gehabt, um über den Abschuss zu entscheiden.

Zudem hat der Iran eine andere internationale Stellung als beispielsweise Russland. Der Kreml konnte den Abschuss der Malaysia Airlines im Juli 2014 bis heute dementieren – trotz eindeutiger Untersuchungsberichte.

3. Versuch einer Deeskalation

Folglich scheint das Schuldgeständnis ein Weg der Deeskalation zu sein. Der Iran kann es sich nicht leisten, weitere Länder gegen sich aufzubringen. Ein Dementi hätte zur weiteren Zuspitzung des Konflikts geführt. Dabei wären weitere internationale Sanktionen zu erwarten. Das Bekenntnis ist somit eine Schadensbegrenzung.

4. Widersprüchliche Reaktionen

Bei der Entschuldigung dreht sich die Regierung jedoch in Kreisen: Präsident Rouhani spricht von «menschlichem Versagen». Der Luftwaffenchef Amir Ali Hajizadeh gibt sich pathetisch: «Ich wünschte, ich könnte sterben», sagt er in den iranischen Staatsmedien. Aber: Die Alarmbereitschaft sei auf «Drohungen vom kriminellen amerikanischen Präsidenten und militärischen Befehlshabern» zurückzuführen, heisst es in einer anschliessenden Mitteilung der iranischen Streitkräfte.

Zusammenfassend: Der Iran erkennt zwar eine gewisse Schuld an, sieht aber den US-Präsidenten Donald Trump als die eigentliche Ursache für den Abschuss. Darauf reagiert der ukrainische Präsident Wladimir Selenski – und fordert eine «vollständige Schuldanerkennung». Weitere Reaktionen stehen noch aus.

Abschüsse von Passagierflugzeugen

Juli 2014, Osten der Ukraine, 298 Tote

Am 17. Juli 2014 stürzt im Osten der Ukraine eine Boeing 777 der Fluggesellschaft Malaysia Airlines ab. Alle 298 Insassen kommen ums Leben. Wie eine internationale Untersuchung zeigt, wurde der Flug MH17 mit einer BUK-Rakete sowjetischer Bauart gezielt abgeschossen. Die Boeing 777 befand sich auf dem Weg von Amsterdam nach Kuala Lumpur und überflog das Konfliktgebiet im Osten der Ukraine, in dem sich prorussische Separatisten und die ukrainische Armee bekämpfen. Die Separatisten leugnen den Abschuss. Die BUK-Rakete stammte von der 53. russischen Flugabwehrbrigade in Kursk im Südwesten Russlands. Drei Russen und ein Ukrainer sollen sich ab März für den Abschuss verantworten. Der Prozess in den Niederlanden dürfte in Abwesenheit der Beschuldigten stattfinden.

Oktober 2001, Schwarzes Meer, 78 Tote

Am 4. Oktober 2001 explodiert eine Tupolew-154 der russischen Fluggesellschaft Siberia Airlines über dem Schwarzen Meer, knapp 300 Kilometer vor der ukrainischen Halbinsel Krim. Alle 78 Insassen, vor allem Israelis, kommen ums Leben. Die Maschine war von Tel Aviv nach Nowosibirsk in Sibirien unterwegs. Eine Woche nach dem Unglück gesteht die Ukraine ein, dass das Flugzeug von einer versehentlich abgeschossenen ukrainischen Rakete vom Himmel geholt wurde.

Juli 1988, Persischer Golf, 290 Tote

Am 3. Juli 1988 wird ein Airbus A-300 der Fluggesellschaft Iran Air kurz nach dem Start in Bandar-Abbas über dem Persischen Golf abgeschossen. Alle 290 Insassen kommen ums Leben. Die Maschine war vom Süden Irans Richtung Dubai in den Vereinigten Arabischen Emiraten unterwegs. Die Besatzung der US-Fregatte «USS Vincennes» räumt ein, den Airbus bei einer Patrouillenfahrt in der Meerenge von Hormus für einen iranischen Kampfjet gehalten und mit zwei Raketen abgeschossen zu haben. Die USA zahlen an den Iran eine Entschädigung von gut 101 Millionen Dollar.

September 1983, Russland, 269 Tote

In der Nacht zum 1. September 1983 wird eine Boeing 747 der südkoreanischen Fluglinie Korean Air Lines (KAL) über der Insel Sachalin im fernen Osten Russlands abgeschossen. Alle 269 Insassen kommen ums Leben. Die sowjetische Luftwaffe erklärt nach starkem internationalem Druck und einer Verurteilung durch den UN-Sicherheitsrat mit fünf Tagen Verspätung, dass die Boeing von Jagdflugzeugen abgeschossen wurde, weil sie von ihrer Flugroute abgekommen sei.

Februar 1973, Sinai-Halbinsel, 108 Tote

Am 21. Februar 1973 schiessen israelische Kampfjets über der damals von Israel besetzten Sinai-Halbinsel eine libysche Boeing 727 ab, die eigentlich von Tripolis nach Kairo fliegen sollte, aber vom Kurs abgekommen war. 108 der 112 Insassen der Maschine kommen ums Leben. Die israelische Regierung erklärt, die libysche Boeing sei über israelische Militäranlagen geflogen und habe eine Aufforderung zur Landung zurückgewiesen. (SDA)

Juli 2014, Osten der Ukraine, 298 Tote

Am 17. Juli 2014 stürzt im Osten der Ukraine eine Boeing 777 der Fluggesellschaft Malaysia Airlines ab. Alle 298 Insassen kommen ums Leben. Wie eine internationale Untersuchung zeigt, wurde der Flug MH17 mit einer BUK-Rakete sowjetischer Bauart gezielt abgeschossen. Die Boeing 777 befand sich auf dem Weg von Amsterdam nach Kuala Lumpur und überflog das Konfliktgebiet im Osten der Ukraine, in dem sich prorussische Separatisten und die ukrainische Armee bekämpfen. Die Separatisten leugnen den Abschuss. Die BUK-Rakete stammte von der 53. russischen Flugabwehrbrigade in Kursk im Südwesten Russlands. Drei Russen und ein Ukrainer sollen sich ab März für den Abschuss verantworten. Der Prozess in den Niederlanden dürfte in Abwesenheit der Beschuldigten stattfinden.

Oktober 2001, Schwarzes Meer, 78 Tote

Am 4. Oktober 2001 explodiert eine Tupolew-154 der russischen Fluggesellschaft Siberia Airlines über dem Schwarzen Meer, knapp 300 Kilometer vor der ukrainischen Halbinsel Krim. Alle 78 Insassen, vor allem Israelis, kommen ums Leben. Die Maschine war von Tel Aviv nach Nowosibirsk in Sibirien unterwegs. Eine Woche nach dem Unglück gesteht die Ukraine ein, dass das Flugzeug von einer versehentlich abgeschossenen ukrainischen Rakete vom Himmel geholt wurde.

Juli 1988, Persischer Golf, 290 Tote

Am 3. Juli 1988 wird ein Airbus A-300 der Fluggesellschaft Iran Air kurz nach dem Start in Bandar-Abbas über dem Persischen Golf abgeschossen. Alle 290 Insassen kommen ums Leben. Die Maschine war vom Süden Irans Richtung Dubai in den Vereinigten Arabischen Emiraten unterwegs. Die Besatzung der US-Fregatte «USS Vincennes» räumt ein, den Airbus bei einer Patrouillenfahrt in der Meerenge von Hormus für einen iranischen Kampfjet gehalten und mit zwei Raketen abgeschossen zu haben. Die USA zahlen an den Iran eine Entschädigung von gut 101 Millionen Dollar.

September 1983, Russland, 269 Tote

In der Nacht zum 1. September 1983 wird eine Boeing 747 der südkoreanischen Fluglinie Korean Air Lines (KAL) über der Insel Sachalin im fernen Osten Russlands abgeschossen. Alle 269 Insassen kommen ums Leben. Die sowjetische Luftwaffe erklärt nach starkem internationalem Druck und einer Verurteilung durch den UN-Sicherheitsrat mit fünf Tagen Verspätung, dass die Boeing von Jagdflugzeugen abgeschossen wurde, weil sie von ihrer Flugroute abgekommen sei.

Februar 1973, Sinai-Halbinsel, 108 Tote

Am 21. Februar 1973 schiessen israelische Kampfjets über der damals von Israel besetzten Sinai-Halbinsel eine libysche Boeing 727 ab, die eigentlich von Tripolis nach Kairo fliegen sollte, aber vom Kurs abgekommen war. 108 der 112 Insassen der Maschine kommen ums Leben. Die israelische Regierung erklärt, die libysche Boeing sei über israelische Militäranlagen geflogen und habe eine Aufforderung zur Landung zurückgewiesen. (SDA)

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Der Konflikt zwischen dem Iran und den USA spitzt sich immer weiter zu. Im Newsticker halten wir Sie über die Vorkommnisse auf dem Laufenden.

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