Die in Deutschland tödlich verunglückte Russin Natalia Filjowa (†55) war nicht nur Chefin der zweitgrössten russischen Fluggesellschaft S7 Airlines, sie mischte auch im Kampf um die Eroberung des Weltalls ganz vorne mit. Vor kurzem hatte die S7 ihr Geschäftsfeld mit dem Zukauf der Schweizer Firma Sea Launch erweitert, die auf Raketenstarts und die Versorgung von Satelliten spezialisiert ist. Der Kaufpreis für das Unternehmen, das 2014 von Bern ins waadtländische Nyon gezogen war, wurde auf rund 150 Millionen Dollar geschätzt.
Herzstück von Sea Launch ist eine vor dem kalifornischen Long Beach schwimmende Plattform, von der aus Raketen abgeschossen werden können. Grösster Konkurrent ist die US-Firma SpaceX von Elon Musk (47).
Erst noch über Testflug gesprochen
Von der speziell adaptierten Bohrplattform starten Raketen mit bis zu sechs Tonnen Last, um Satelliten auszusetzen oder zu versorgen. Die Auftragsbücher sind voll: In den nächsten 15 Jahren sind 70 kommerzielle Flüge geplant. Für diese Missionen wird zurzeit eine neue Rakete entwickelt, die auf der bewährten russischen Sojus 5 basiert.
Natalia Filjowa war an diesem Programm massgeblich beteiligt und arbeitete eng mit der staatlichen Weltraumorganisation Roskosmos zusammen. Deren Direktor Dmitri Rogosin (55) ist bestürzt über den plötzlichen Tod der russischen All-Pionierin. Rogosin: «Wir standen in ständigem Kontakt mit Natalia. Sie war begeistert von der Luftfahrt und der Kosmonautik. Für uns alle ist ihr Tod eine persönliche Tragödie.»
In den vergangenen Woche habe man intensiv über neue Projekte diskutiert. Rogosin: «Nur einen Tag vor der Tragödie haben wir den ersten Testflug besprochen, und sie als Profi der Luftfahrtindustrie freute sich sehr auf das Ereignis.»
Viertreichste Frau Russlands
Die Oligarchin Natalia Filjowa, die Mutter von drei Kindern und einem Adoptivkind war, galt mit einem Vermögen von 600 Millionen Dollar als viertreichste Frau Russlands. Sie hatte in Nowosibirsk Funktechnik und in Moskau Luftfahrt-Management studiert.
1996 wurde sie Generaldirektorin der Investmentgesellschaft Eurofinance. Kurze Zeit darauf stieg sie mit ihrem Mann Wladislaw (55) ins Fluggeschäft ein.
Interesse an AUA
Offenbar hegte sie auch in der europäischen Zivilluftfahrt Ausbaupläne: 2008 bot laut österreichischen Medien eine «geheimnisvolle, medienscheue Russin» beim Kauf der Austrian Airlines (AUA) mit. Es war Natalia Filjowa, die dann aber den Übernahmepoker gegen die deutsche Lufthansa verlor.
Wie dem Handelsregister zu entnehmen ist, befindet sich die Sea Launch in Nyon inzwischen in Liquidation. Der Hauptsitz der Firma befindet sich in Moskau.
Natalia Filjowa war am Sonntagnachmittag mit einem Privatflugzeug des Typs Epic-LT im deutschen Erzhausen auf einem Spargelfeld abgestürzt. An Bord befanden sich zudem ihr Vater sowie der Pilot, die ebenfalls ums Leben kamen. Die Maschine befand sich auf dem Flug von Cannes nach Egelsbach bei Frankfurt. Die Unfallursache ist noch unklar.