Ab 28. Dezember
Deutschland geht in «Party-Lockdown»

Die Regierung Scholz macht Schluss mit Silvesterpartys – natürlich wegen Corona. Zudem dürfen Grossveranstaltung inklusive Fussballspiele nur noch vor leeren Rängen stattfinden. Die Massnahmen treten nach Weihnachten in Kraft.
Publiziert: 21.12.2021 um 19:28 Uhr
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Aktualisiert: 21.12.2021 um 21:59 Uhr
Bundeskanzler Olaf Scholz (Mitte).
Foto: BERND VON JUTRCZENKA

Um die rasante Ausbreitung der Omikron-Variante des Coronavirus zu bremsen, haben in Deutschland Bund und Länder umfassende Beschränkungen des privaten und öffentlichen Lebens beschlossen. Sie sollen aber erst nach Weihnachten gelten. Spätestens ab 28. Dezember soll generell eine Obergrenze von zehn Personen für Privattreffen gelten. Bundeskanzler Olaf Scholz verständigte sich mit den Ministerpräsidenten der Länder am Dienstag zudem auf die Schliessung von Clubs und Diskotheken und leere Ränge bei Fussballspielen und anderen Grossveranstaltungen.

Clubs und Diskotheken müssen bundesweit geschlossen werden, Tanzveranstaltungen sind verboten. Dies war bisher schon in vielen Bundesländern der Fall, wurde aber von einigen Ländern anders gehandhabt. Mit grosser Silvesterparty wird also nix.

Robert Koch-Institut wollte härtere Massnahmen

Das Robert Koch-Institut (RKI) hatte deutlich weitreichendere Massnahmen gefordert. Einen umfassenden Lockdown mit der Schliessung von Restaurants und Geschäften wird es aber vorerst nicht geben.

«Corona macht keine Weihnachtspause», sagte Scholz bei der Vorstellung der Massnahmen. Man habe zwar die vierte Corona-Welle derzeit gut im Griff. Die besonders ansteckende Omikron-Variante, die den Impfschutz unterlaufen könne, führe aber zu einer fünften Welle, auf die man sich jetzt vorbereiten müsse. «Wir können und dürfen nicht die Augen verschliessen vor dieser nächsten Welle», sagte er.

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30 Millionen Booster bis Ende Januar

Ziel der neuen Massnahmen ist es, die zwischenmenschlichen Kontakte massiv zurückzufahren – vor allem mit Blick auf Silvester. «Es ist derzeit nicht mehr die Zeit für Partys und gesellige Abende in grosser Runde», sagte Scholz.

Neben den neuen Beschränkungen soll die Impfkampagne weiter vorangetrieben werden – auch während der Weihnachtstage und zwischen den Feiertagen. Bis Ende Januar werden 30 Millionen weitere Auffrischimpfungen angestrebt. Mindestens 32,6 Prozent der Gesamtbevölkerung haben bereits einen sogenannten Booster bekommen. Mindestens 70,4 Prozent sind bisher zweifach geimpft oder haben die Einmal-Impfung von Johnson & Johnson erhalten.

Impfquote von 80 Prozent als Zwischenziel

Scholz strebt als «Zwischenziel» eine Impfquote von 80 Prozent an. «Und wenn wir das erreicht haben, müssen wir das nächste Ziel in den Blick nehmen», sagte er. Er befürwortete auch erneut eine allgemeine Impfpflicht, über die der Bundestag im neuen Jahr abstimmen soll.

Am 7. Januar soll bei einer weiteren Ministerpräsidentenkonferenz Bilanz des Beschlossenen gezogen werden. Vor der Konferenz hatte es Forderungen nach deutlich weitreichenderen Massnahmen gegeben. Das RKI hatte Alarm geschlagen und die sofortige Schliessung von Restaurants und eine Verlängerung der Weihnachtsferien für Schulen und Kitas gefordert. Es ging damit über die Stellungnahme des Expertenrats der Bundesregierung vom Sonntag hinaus, die Grundlage für die Ministerpräsidentenkonferenz war. Die grössten Effekte auf die Dynamik der Omikron-Welle seien «von konsequenten und flächendeckenden Kontaktbeschränkungen» und von Massnahmen zur Infektionsvorbeugung zu erwarten, erklärte das RKI.

RKI verärgert Regierung

Bei der Bundesregierung kam das nicht gut an. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sagte in der Schaltkonferenz, es gebe keine wissenschaftliche Zensur, die Veröffentlichung sei aber «nicht abgestimmt» gewesen, wie die Deutsche Presse-Agentur von Teilnehmern erfuhr. Das dürfe nicht passieren. Scholz wies in der Pressekonferenz darauf hin, dass das RKI mit seinem Chef Lothar Wieler im Expertengremium der Regierung vertreten sei. Dessen Empfehlung sei einstimmig getroffen worden.

Expertenrat warnt vor «explosionsartigen Verbreitung» von Omikron


Der Expertenrat der Bundesregierung hatte deutlich vager «gut geplante und gut kommunizierte Kontaktbeschränkungen» gefordert. Nach seiner Einschätzung kann Omikron auch zweifach Geimpfte sowie Genesene leicht anstecken. «Dies kann zu einer explosionsartigen Verbreitung führen.» Die Expertinnen und Experten warnten vor einer «neuen Dimension» der Pandemie. Kliniken stünden vor starker Überlastung. Ein Teil der Bevölkerung könnte wegen Krankheit oder Quarantäne auch als Beschäftigte ausfallen. Gefährdet sei das Funktionieren von Versorgungs- und Sicherheitssystemen.

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) verteidigte die Arbeit des RKI. Man müsse nicht jeden einzelne Auffassung des RKI teilen. «Aber es ist aus meiner Sicht wichtig, dass dem RKI der Respekt entgegengebracht wird, den es verdient», sagte der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz.

Wissenschaftler warnt vor Omikron-Wand

Die Wissenschaft warnt weiter vor der Wucht der Omikron-Variante. Der Saarbrücker Modellierer Thorsten Lehr sagte dem Sender ntv, abhängig von den Massnahmen könnten die Inzidenzen Anfang des Jahres um 1000 liegen. «Da sehen wir wirklich eine relativ starke Wand auf uns zukommen.» Vorerst sank die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz im Vergleich zum Vortag am Dienstag etwas – von 316,0 auf 306,4 Corona-Neuinfektionen pro 100'000 Einwohner. Binnen eines Tages gab es offiziell 23'428 Neuinfektionen und 462 Todesfälle.

Scholz appellierte an den Zusammenhalt der Bürger: «Diese Pandemie strengt uns alle an. Wir alle sind mürbe und der Pandemie müde. Das hilft aber nichts. Wir müssen abermals zusammenstehen und auch in vielen Fällen eben Distanz halten.» (SDA/bö)

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