Rechtsradikale nehmen sich vor Heinz Kaiser (66) in Acht. Seit über 20 Jahren recherchiert der Aargauer in der Neonazi-Szene. Aktuell verfolgt er den Prozess gegen den Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) in München. Hauptangeklagte ist Beate Zschäpe (41). Sie soll mit Uwe Böhnhardt (†38) und Uwe Mundlos (†34) neun Migranten und eine Polizistin ermordet haben. Alle – bis auf die Polizistin – mit der gleichen Waffe, einer Ceska Modell 83. Der Mitangeklagte Ralf Wohlleben (41) soll sie organisiert haben. Laut Anklage aus der Schweiz.
Doch genau daran zweifelt Kaiser. Er hat die Gerichtsakten studiert, die durch einen Blogger im Internet landeten. «Bei der ursprünglich gefundenen Tatwaffe sehe ich erhebliche Ungereimtheiten. Sie stammt nach meinen Erkenntnissen definitiv nicht aus der Schweiz», sagt Kaiser.
Er hält Fotos der Ceska nebeneinander: Eines zeigt die Waffe, nachdem sie gefunden wurde. Völlig verkohlt, weil Zschäpe die Wohnung des Terror-Trios in Brand gesetzt hatte. Daneben ein Bild, wie die Waffe am Prozess gezeigt wird. «Sie sieht auf einmal aus wie neu.» Mit keinem Mittel liessen sich Rost- und Brandspuren so gut säubern, so der Neonazi-Jäger.
Was noch brisanter scheint: «Auf der Waffe vom Tatort ist der Produktionsort Tschechien mit einem verkehrten ‹S› eingraviert.» Bei der Waffe, die am Prozess gezeigt wird, ist es aber ein «Z». Für Kaiser der Beweis: «Das kann nie und nimmer die gleiche Waffe sein – sie wurde durch eine andere Waffe ausgetauscht.»
Aber warum? «Die Staatsanwaltschaft weiss bis heute nicht, woher die Ceska stammt, die bei den Tätern gefunden wurde», erklärt Kaiser. Man habe aber eine plausible Geschichte gebraucht. «Deshalb präsentiert man jetzt ein Exemplar, bei dem man nachweisen kann, woher es stammt – angeblich aus der Schweiz.»
Eine abenteuerliche Theorie, die Kaiser kürzlich im Schweizer Fernsehen vorstellte – und Reaktionen auslöste. «Die Verteidigerin von Ralf Wohlleben hat vor kurzem Kontakt mit mir aufgenommen», so Kaiser. Er zeigt SonntagsBlick ein E-Mail, in welchem die Anwältin Interesse für seine Ermittlungen signalisiert. «Das zeigt, dass an meiner Theorie etwas dran ist», meint der Aargauer.
Er habe seine Resultate der Verteidigung zur Verfügung gestellt. Ob diese im Prozess darauf eingeht, ist offen. Falls ja, würden seine Erkenntnisse die Angeklagten entlasten – der Neonazi-Jäger würde jenen helfen, die er ein Leben lang anprangerte und verfolgte.
Ein Problem sei das nicht für ihn, so Kaiser. «In erster Linie geht es mir um die Wahrheit. Auch Neonazis haben das Recht auf einen fairen Prozess.» Was ihn zusätzlich motiviert: «Dass die Tatwaffe, mit der neun Menschen ermordet wurden, aus der Schweiz stammen soll, wirft ein schlechtes Licht auf unser Land. Das will ich ändern.»