Ein Spital in Afrin. Kilometerweit war ein Vater aus einem Flüchtlingslager mit seiner kleinen Tochter im Arm hingelaufen. Durch Schnee und Wind. Doch als er ankam, war es bereits zu spät: die Einjährige war tot – erfroren. Diese tragische Geschichte erzählt der syrische Arzt Housnam Adnan auf Facebook.
Der Tod des Kleinkinds steht für eine neue Eskalationsstufe im Syrien-Krieg: Idlib, die eigentlich als «Deeskalationszone» gedachte Rebellenhochburg, droht wie ein Pulverfass zu explodieren.
Fassbomben und Spitäler-Beschuss
Nachdem die syrische Armee im vergangenen Jahr mit ihrer Offensive scheiterte, geht sie nun trotz Waffenruhe mit aller Härte gegen die Rebellenhochburg vor. Westlich der Grossstadt Aleppo hat die Armee bereits Dutzende Dörfer unter Kontrolle gebracht.
Unterstützt von Russland fallen Fassbomben, Spitäler werden bombardiert. Rettungshelfer meldeten, bei Luftangriffen auf den Ort Darat Issa nahe Aleppo seien zwei Spitäler getroffen worden und nun ausser Betrieb.
Fluchtweg Richtung Türkei wird abgeschnitten
Damaskus und Moskau argumentieren, sie bekämpften in der Region Terroristen. Dominiert wird das Gebiet von der Al-Kaida-nahen Miliz Haiat Tahrir al-Scham (HTS). Dort kämpfen aber auch gemässigtere Regierungsgegner.
Offenbar wollen die Regierungstruppen und mit ihr verbündete Milizen die Region um Idlib in zwei Gebiete teilen. Sollte ihnen das gelingen, würden sie den Zivilisten den Fluchtweg in Richtung Norden abschneiden, wo türkische Truppen und verbündete Rebellen eine Region an der Grenze kontrollieren.
850'000 Menschen sind auf der Flucht
Beim Kampf um Syriens letzte Rebellenhochburg Idlib gibt es keine Gnade. Drei Millionen menschen leben in der Region. Allein seit Anfang Dezember sind nach Uno-Angaben mehr als 850'000 Menschen vor der Gewalt und den heranrückenden Regierungstruppen geflohen.
Helfer beklagen eine katastrophale humanitäre Lage. Es fehlt an Unterkünften, Nahrungsmitteln, Heizmaterial und medizinischer Versorgung. Viele Menschen schlafen trotz Wintertemperaturen in notdürftig errichteten Zelten aus Plastikplanen.
In der Vergangenheit waren immer wieder Spitäler bombardiert worden. Regierungsgegner werfen Syrien und Russland vor, gezielt lebenswichtige Infrastruktur anzugreifen, um die Menschen zur Aufgabe zu zwingen. (SDA/kin)