Über 1500 Mitarbeiter des deutschen Schlachtbetriebs Tönnies haben sich in den letzten Tagen mit Corona infiziert. Gebiete rund um die Fabrik in Rheda-Wiedenbrück wurden deshalb abgeriegelt, die Menschen müssen strenge Lockdown-Regeln befolgen (BLICK berichtete).
Knapp 100 Kilometer westlich droht ein ähnliches Szenario: In einer Fabrik der Wiesenhof-Gruppe in Wildeshausen, dem grössten Geflügelfleischproduzenten des Landes, waren bis Mittwoch 35 Personen an Corona erkrankt – 31 arbeiteten in der Geflügelfabrik. Tests für die rund 1100 Mitarbeiter laufen weiter.
In Moers, rund 150 Kilometer westlich von Wildeshausen, sieht es ähnlich aus: In der Dönerfabrik Öztas in Moers wurden am Donnerstag 17 von 275 Mitarbeitern positiv auf Corona getestet. Mittlerweile ist die Zahl auf rund 80 angestiegen.
Im britischen Cleckheaton wurde derweil bereits vor wenigen Tagen in einer Kober-Fabrik ein Corona-Fall vermeldet. Die Fabrik schloss zwischenzeitlich und liess alle Mitarbeiter (freiwillig) testen. Am Donnerstag galten 165 Mitarbeiter als Corona-positiv.
Was all diese Fälle gemeinsam haben? Sie spielen sich in Fleischfabriken ab. Tönnies ist Deutschlands grösster Schlachtbetrieb für Schweine, in Wildeshausen werden Hühner verarbeitet, Öztas produziert Dönerprodukte und Kober fertigt Fleischprodukte für die Supermarktkette Asda.
Klimaanlagen mitverantwortlich
Diese Häufung von Corona-Fällen in Fleischfabriken ist kein Zufall, sagt Martin Exner. Der Hygiene-Experte vom Universitätsklinikum Bonn überprüfte die Tönnies-Fälle und stellte fest: Der Klimaanlage kommt bei der Schweinezerlegung eine besondere Rolle zu, die der Corona-Verbreitung zuträglich ist. Um für die nötige Lebensmittelhygiene zu sorgen, würden die Räume, in denen Mitarbeiter die Tiere zerlegen, auf etwa sechs bis zehn Grad gekühlt, sagte Exner laut «ARD» an einer Pressekonferenz. In kühlen Temperaturen verbreiten sich die Viren schneller. Zudem würde die Luft in dem Bereich tagsüber getrocknet, damit das Wachstum von Mikroorganismen – etwa Salmonellen – verhindert werden könnte. Bloss: Um das zu erreichen wird die Luft aus der Schweinezerlegung in einer Klimaanlage gekühlt und wieder in den Raum zurückgeleitet. Dabei zirkuliere die Luft, werde aber nicht mit ausreichend Frischluft angereichert, erklärte der Mikrobiologe.
Wenn darum ein Mitarbeiter erkranke und das Coronavirus in die Luft gelange, verteile es sich dadurch breit in der Arbeitshalle, führte Exner aus. Eine besondere Herausforderung sei auch, dass die Zerlegekräfte eine sehr harte körperlicher Arbeit in hoher Geschwindigkeit ausübten. Deshalb sei es für sie anstrengend, einen Mundschutz tragen. Exner empfahl aus diesem Grund einen Kompromiss: Die Mitarbeiter sollten atmungsaktive Masken tragen.
Kurz vor Veröffentlichung dieses Artikels meldete «Bild»: In Weissenfels (Sachsen-Anhalt) wurde in einer weiteren Tönnies-Fabrik ein Mitarbeiter positiv auf Corona getestet. Man hofft, dass die Situation nicht wie in Rheda-Wiedenbrück eskaliert. Der Mann habe seine Arbeit an dem Tag noch nicht aufgenommen.
Herr Hadorn: Offenbar sind Klimaanlagen an der Häufung von Corona-Fällen in ausländischen Fleischfabriken schuld, sagen Experten. Was sagen Sie dazu?
Ruedi Hadorn: Das scheint mir doch sehr weit hergeholt zu sein! Umluftsysteme gibt es auch in diversen anderen Branchen und Bereichen unseres Lebens – die müssten dann ja auch betroffen sein.
Wie erklären Sie sich dann die Fälle?
Ruedi Hadorn: Ich gehe davon aus, dass vor allem die engen Arbeits- und Wohnverhältnisse für die Verbreitung ausschlaggebend waren. Auch betone ich ausdrücklich, dass wir derartige Bedingungen hierzulande nicht kennen und auch ganz klar nicht wollen!
In der Schweiz sind die Fleischfabriken bisher nicht als Corona-Hotspots aufgefallen. Befürchten Sie, dass sich das ändert?
Ruedi Hadorn: Nein. Wie gesagt, unsere Arbeitsbedingungen sind klar besser. Es gibt auch einen Branchen-GAV und wir haben schon von Beginn der Krise weg Schutzkonzepte erarbeitet und auch umgesetzt. Diese werden auch laufend angepasst. Dass sie greifen, zeigt ja gerade auch die Situation, dass bislang in der Schweiz keine derartige Situation aufgetreten ist. Ich erhoffe mir dies natürlich auch weiterhin – eine Garantie gibt es, wie überall im Leben, aber auch hierfür nicht.
Dr. Ruedi Hadorn ist Direktor des Schweizerischen Fleisch-Fachverbands (SFF).
Herr Hadorn: Offenbar sind Klimaanlagen an der Häufung von Corona-Fällen in ausländischen Fleischfabriken schuld, sagen Experten. Was sagen Sie dazu?
Ruedi Hadorn: Das scheint mir doch sehr weit hergeholt zu sein! Umluftsysteme gibt es auch in diversen anderen Branchen und Bereichen unseres Lebens – die müssten dann ja auch betroffen sein.
Wie erklären Sie sich dann die Fälle?
Ruedi Hadorn: Ich gehe davon aus, dass vor allem die engen Arbeits- und Wohnverhältnisse für die Verbreitung ausschlaggebend waren. Auch betone ich ausdrücklich, dass wir derartige Bedingungen hierzulande nicht kennen und auch ganz klar nicht wollen!
In der Schweiz sind die Fleischfabriken bisher nicht als Corona-Hotspots aufgefallen. Befürchten Sie, dass sich das ändert?
Ruedi Hadorn: Nein. Wie gesagt, unsere Arbeitsbedingungen sind klar besser. Es gibt auch einen Branchen-GAV und wir haben schon von Beginn der Krise weg Schutzkonzepte erarbeitet und auch umgesetzt. Diese werden auch laufend angepasst. Dass sie greifen, zeigt ja gerade auch die Situation, dass bislang in der Schweiz keine derartige Situation aufgetreten ist. Ich erhoffe mir dies natürlich auch weiterhin – eine Garantie gibt es, wie überall im Leben, aber auch hierfür nicht.
Dr. Ruedi Hadorn ist Direktor des Schweizerischen Fleisch-Fachverbands (SFF).