Derzeit ist mindestens jeder elfte Mensch unterernährt, wie aus dem Welternährungsbericht der Vereinten Nationen hervorgeht. Dazu gehören auch Millionen Kinder, die nicht genug zu essen bekommen, um gesund aufzuwachsen. Insgesamt schätzen die Experten in ihrer am Montag vorgelegten Studie, dass im Jahr 2019 rund 690 Millionen Menschen unterernährt waren - also knapp neun Prozent der Weltbevölkerung.
Aufgrund der Corona-Krise könnten 83 bis 132 Millionen Menschen zusätzlich ernste Not leiden, warnten fünf UN-Behörden, darunter die Welternährungsorganisation FAO in Rom.
Zahl der Hungernden steigt
«Seit 2014 ist die Zahl hungriger Menschen weltweit langsam angestiegen», heisst es in dem Bericht für 2020. Die Zunahme seither betrage knapp 60 Millionen Menschen - das ist etwa die Einwohnerzahl Italiens. In den Jahren 2017 und 2018 hätten Konflikte und extreme Klimalagen die Ernährungssicherheit negativ beeinflusst. Beim Anstieg des Vorjahres um rund zehn Millionen unterernährte Menschen seien Wirtschaftskrisen ausschlaggebend gewesen.
Corona verschlimmert Lage
Für 2020 verdüsterten die Corona-Pandemie und eine «beispiellose Heuschreckenplage» in Ostafrika die Aussichten drastisch. «Die Situation kann sich nur verschlimmern, wenn wir nicht dringend handeln», schreiben die Chefs der fünf UN-Organisationen.
«Diese Hungerkrise wird nicht durch schlechte Ernten, sondern durch schlechte Politik befeuert», urteilte die Hilfsorganisation Oxfam. Sie forderte von der deutschen Regierung eine «Kurskorrektur in der Hungerbekämpfung». Mathias Mogge, Generalsekretär der Welthungerhilfe, mahnte: «Die Folgen von Covid-19 sind in diesen aktuellen Zahlen für 2019 noch nicht abgebildet. Wir wissen aber, dass die Pandemie die Existenz von Millionen Familien vernichtet.»
Bei der Gesamtzahl der hungrigen Menschen nahmen die UN im neuen Bericht allerdings für mehrere Jahre eine deutliche Korrektur nach unten vor: Vor einem Jahr war noch von 812 Millionen Unterernährten weltweit die Rede gewesen. Grund für die Absenkung sei, dass die Schätzwerte für 13 Länder neu berechnet wurden. Es habe neue Daten etwa zur Bevölkerung und zur Versorgung von Haushalten mit Lebensmitteln gegeben.
China auf dem Weg zur Besserung
Deutlich besser bewertet wird jetzt die Lage in China, wo etwa ein Fünftel der Weltbevölkerung lebt: «Die Veränderung der Unterernährungsschätzung für China bis ins Jahr 2000 führte zu einer deutlich geringeren Zahl von unterernährten Menschen weltweit», heisst es im Bericht. An der Spitze der Welternährungsorganisation steht seit 2019 der Chinese Qu Dongyu. Eine FAO-Sprecherin erläuterte, es sei eine «Routine-Anpassung».
Noch vor sechs Jahren hatte die FAO von einem Lichtblick im Kampf gegen den Hunger und von sinkenden Zahlen gesprochen. Das Ziel der Staatengemeinschaft, den Hunger bis zum Jahr 2030 zu stoppen, bleibt mit den neuen Prognosen jedoch in weiter Ferne. Im Gegenteil: Wenn sich der Trend der vergangenen Studien fortsetze, könnte es in zehn Jahren über 840 Millionen Unterernährte geben.
Asien hungert am meisten
Für den neuen Report haben neben der FAO das Kinderhilfswerk Unicef, die UN-Gesundheitsorganisation WHO, der Hilfsfonds IFAD und das Welternährungsprogramm WFP Daten zusammengetragen. In Asien leben nach Angaben der Experten am meisten hungrige Menschen (rund 380 Millionen). Allerdings habe der Kontinent Fortschritte im Kampf gegen den Hunger erzielt. In Afrika dagegen wachse die Zahl am schnellsten.
Kinder tragen Schäden davon
Jeder vierte Mensch - oder rund zwei Milliarden Männer, Frauen und Kinder - haben in ihrem Leben schon gehungert oder zeitweise nicht gewusst, woher das Essen für die nächste Woche kommen soll, heisst es in der Studie. Wenn das Problem Kinder treffe, würden sie oft lebenslange Gesundheitsschäden erleiden. Im Bericht steht, dass geschätzt 144 Millionen unter Fünfjährige (21 Prozent) im Jahr 2019 wegen Ernährungsnot zu klein waren. Weitere 47 Millionen (7 Prozent) der Altersgruppe hatten Untergewicht für ihre Grösse. Zugleich gehen die Experten von 38 Millionen Kindern in dem Alter (knapp 6 Prozent) aus, die Übergewicht haben. (SDA)
Die Statistik ist traurig. Welthungerhilfe-Sprecherin Simone Pott erklärt, welche Konsequenzen wir persönlich daraus ziehen sollten.
Was kann ich persönlich für die Hungernden tun?
Man sollte den Wert der Lebensmittel besser schätzen und nur so viel einkaufen, wie auch wirklich gebraucht wird. Mit jedem Joghurt, das im Güsel landet, werden auch wichtige Ressourcen verschwendet. Auch ein niedriger Fleischkonsum schont die weltweiten Ressourcen. Ausserdem kann man gezielt Projekte finanziell unterstützen.
Macht es bei schnäderfrässigen Kindern Sinn zu sagen: «Denk an die armen Kinder in Afrika, die gar nichts zu essen haben»?
Kinder sollten wissen, dass Lebensmittel nicht in den Supermärkten entstehen, sondern dafür Wasser, Energie und körperliche Arbeit nötig sind. Man kann erklären, dass es nicht überall einen vollen Teller gibt. Kinder können lernen, dass Nahrungsmittel wertvoll sind – ohne dass sie beim Essen ein schlechtes Gewissen bekommen.
Soll ich überhaupt in solche Länder reisen, wo Hungersnot herrscht?
Das ist eine schwierige Frage, die jeder persönlich beantworten muss. Tourismus ist für viele Länder eine wichtige Einnahmequelle. Es entstehen Jobs und Erwerbsmöglichkeiten.
Gibt es auch bei uns Kinder, die hungern?
Hunger ist vielschichtig, und auch in Europa gibt es viele Kinder, die mangelernährt sind. Ohne ausreichende Proteine, Spurenelemente oder Vitamine wird ein Körper nicht ausreichend versorgt, auch wenn die Zahl der Kalorien ausreicht. (gf)
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Man sollte den Wert der Lebensmittel besser schätzen und nur so viel einkaufen, wie auch wirklich gebraucht wird. Mit jedem Joghurt, das im Güsel landet, werden auch wichtige Ressourcen verschwendet. Auch ein niedriger Fleischkonsum schont die weltweiten Ressourcen. Ausserdem kann man gezielt Projekte finanziell unterstützen.
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Das Coronavirus beschäftigt aktuell die ganze Welt und täglich gibt es neue Entwicklungen. Alle aktuellen Informationen rund ums Thema gibt es im Coronavirus-Ticker.
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