Nach den Ausschreitungen in Chemnitz haben in der sächsischen Stadt erneut mehrere tausend Menschen demonstriert. Vom Karl-Marx-Monument aus zogen am Freitagabend nach Angaben von Stadt und Polizei rund 2500 Teilnehmer eines Protestzugs der rechtspopulistischen Bewegung Pro Chemnitz durch die Innenstadt. Ihnen gegenüber standen demnach rund tausend Gegendemonstranten.
Chemnitzer Musiker gaben fast zeitgleich vor mehreren tausend Besuchern ein Open-Air-Klassikkonzert gegen Fremdenhass und Gewalt.
Um die Veranstaltungen abzusichern, war die Polizei erneut mit verstärkten Kräften im Einsatz. Unterstützt wurden die sächsischen Beamten von der Bundespolizei und Kollegen aus anderen Bundesländern. Bis zum frühen Abend blieb die Lage in der Stadt nach Angaben einer Polizeisprecherin ruhig.
Nach Tötung eines Deutschkubaners, Hetze gegen Ausländer
Nach der Tötung eines 35-jährigen Deutschkubaners in Chemnitz vor fast zwei Wochen hatte es dort in den vergangenen Tagen bereits mehrfach Kundgebungen auch rechter Gruppen gegeben, die teilweise in Ausschreitungen mündeten. Dabei wurden auch Ausländer und Journalisten angegriffen. Zwei mutmasslich aus Syrien und dem Irak stammende Männer sitzen wegen des Tötungsdelikts in Untersuchungshaft. Nach einem dritten Tatverdächtigen wird gefahndet.
Die rechtspopulistische Initiative Pro Chemnitz hatte seitdem bereits mehrfach zu Kundgebungen aufgerufen. Die Demonstranten zogen am Freitagabend erneut durch die Innenstadt und riefen unter anderem «Merkel muss weg» und «Wir sind das Volk«. Der Protestzug der Gegendemonstranten stand unter dem Motto «Wir bleiben - antifaschistisch aktiv». Zu dem Gegenprotest aufgerufen hatte unter anderem die antifaschistische Initiative «Chemnitz nazifrei«.
Lokale Künstler traten auf
Chemnitzer Künstler hatten zudem ein Open-Air-Konzert auf dem Theaterplatz der Stadt unter dem Motto «Kultur für Offenheit und Vielfalt» initiiert. Musiker der Chemnitzer Oper und anderer Institutionen spielten die neunte Sinfonie von Ludwig van Beethoven. Die Künstler erklärten im Vorfeld, sie wollten damit «den Tendenzen zu Fremdenfeindlichkeit, Hetze und Gewalt konsequent entgegentreten».
Angesichts der Vorfälle in Chemnitz werden die Rufe nach einem sachlichen Dialog lauter. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier rief zum Engagement gegen «grundlose Wut» und «Demokratieverachtung» auf.
«In der Demokratie muss gestritten werden, notfalls auch laut, aber es geht nicht ohne den Willen zur Verständigung und nicht ohne Respekt vor anderen und den Institutionen der Demokratie», sagte er am Freitag bei einem Bürgerfest mit ehrenamtlich Engagierten in Berlin laut Redetext.
Diskutieren ist gut, aber «Stopp» bei Grenzüberschreitung
Eine «offene Gesellschaft» müsse «Kritik und abweichende Meinungen zulassen«, betonte der Präsident. «Aber einschüchtern lassen darf sie sich nicht - und deshalb ist es gut, dass Menschen nicht nur gegen etwas auf die Strasse gehen, es ist gut, dass sich auch diejenigen, die für Demokratie und Zusammenhalt stehen, zeigen.»
Auch der Ostbeauftragte der deutschen Regierung, Christian Hirte (CDU), forderte dazu auf, einander zuzuhören. In Ostdeutschland finde «der Kampf um Meinungen und Haltungen» viel öffentlicher statt. «Dass das nicht in einem Ton geschieht, der in den eingeübten Konsens des politischen Sprechens passt, mag uns nicht gefallen, aber wir müssen damit umgehen", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Es gebe aber in der Auseinandersetzung eine Grenze, an der deutlich «Stopp» gesagt werden müsse. (SDA)