Auf einen Blick
- Bundestagswahl: Umfragen, Prognosen und Hochrechnungen begleiten den Wahlprozess
- Prognosen um 18 Uhr basieren auf Exit Polls direkt nach Stimmabgabe
- Hochrechnungen verwenden Teilergebnisse aus zufällig ausgewählten Stimmbezirken
Letzte Umfrage verspricht Wahl-Krimi in Deutschland
Am Samstag veröffentlichte die «Bild» die letzte Umfrage vor der Bundestagswahl am Sonntag. Durchgeführt wurde sie von Meinungsforschern von INSA, wobei 2005 Leute befragt wurden. Die wichtigsten Ergebnisse:
- Grosse Siegerin wird wohl die CDU/CSU von Friedrich Merz. Gemäss Umfrage würde sie auf 29.5 Prozent kommen – und damit die 30-Prozent-Marke knapp verfehlen.
- Ebenfalls grosse Gewinne wird die AfD verzeichnen. 21 Prozent holt die Partei gemäss Umfrage, was einem Plus von mehr als 10 Prozentpunkten im Vergleich zu 2021 entsprechen würde.
- Olaf Scholz gehört mit seiner SPD zu den grossen Wahlverlierern. Gemäss der INSA-Umfrage würden nur noch 15 Prozent für die Sozialdemokraten stimmen. Das entspricht einem Minus von satten 10 Prozentpunkten seit 2021.
- Die Grünen mit Robert Habeck erreichen in der Umfrage 12.5 Prozent der Stimmen.
- Die Linke kommt voraussichtlich auf 7.5 Prozent und würde so in den Bundestag einziehen. Auch das BSW von Sahra Wagenknecht würde mit gerade 5 Prozent die Hürde nehmen. Nicht mehr in der Regierung wäre gemäss der Umfrage die FDP mit 4.5 Prozent.
Vor allem für die CDU/CSU bleibt es spannend. Denn wenn aufgrund der 5-Prozent-Hürde nur fünf Parteien (CDU/CSU, AfD, SPD, Grüne, Linke) in den Bundestag einziehen, dürfte sich die Regierungsbildung einfach gestalten. Knackt jedoch auch Wagenknechts BSW oder die FDP die 5 Prozent, so müsste Friedrich Merz mit SPD und Grünen koalieren, um eine Mehrheit zu erreichen.
Aufgrund einer Regelung brauchen Parteien in Deutschland mindestens 5 Prozent der Stimmen, um in den Bundestag einzuziehen. Idee dahinter ist unter anderem, dass die Regierungsbildung einfacher gestaltet wird. Koalitionen mit der AfD haben sämtliche Parteien ausgeschlossen.
Experten erwarten Verbleib der FDP in der Regierung
Gegenüber der «Neuen Osnabrücker Zeitung» haben gleich mehrere Experten erklärt, dass sie einen Verbleib der FDP in der Regierung erwarten. Hermann Binkert von INSA, Matthias Moehl von election.de und Roland Schatz von Media Tenor sind einstimmig der Meinung, dass Christian Lindner und seine Partei auch nach der Wahl in der Regierung vertreten sein werden.
In der Vergangenheit sei die Partei bei Umfragen stets um 1 bis 1.7 Prozent unterschätzt worden, so Moehl. Gemäss aktuellen Umfrageergebnissen erreicht die FDP etwas weniger als 5 Prozent der Stimmen. Aufgrund einer Regelung braucht eine Partei in Deutschland aber mindestens 5 Prozent, um in den Bundestag einziehen zu können. Dies, um die Regierungsbildung zu vereinfachen.
29 Parteien sind für die Wahl registriert
An der diesjährigen Bundestagswahl nehmen 29 Parteien teil. Das sind weniger als noch bei der letzten Wahl vor drei Jahren. Damals standen den Bürgern 47 Parteien zur Wahl.
Der wohl grösste Grund dafür dürfte die kurze Vorbereitungszeit gewesen sein, da die Wahl aufgrund der gescheiterten Ampel-Koalition vorgezogen wurde. Gerade kleinere Parteien dürften deshalb Schwierigkeiten beim Finden und Zulassen von Kandidaten gehabt haben.
46 Demonstrationen allein in Berlin
Am Tag vor der Wahl wird die Hauptstadt Deutschlands lahmgelegt. Rund 46 Demonstrationen werden erwartet. Dabei wird aber nicht nur für Wahldemos und Demokratiebeurkundungen auf die Strassen gegangen, sondern auch gegen Massentierhaltung und für Alleinerziehende. Die Berliner Verkehrsbetriebe warnen vor Ausfällen.
Merz findet Debatte über deutsche Soldaten in der Ukraine verfrüht
Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz hat Überlegungen zur Entsendung deutscher Soldaten in die Ukraine zum gegenwärtigen Zeitpunkt zurückgewiesen. Es sei «zu früh, darüber nachzudenken», sagte der CDU-Chef am Freitag im ZDF-Morgenmagazin. «Es könnte sein, dass es Sicherheitsgarantien für die Ukraine geben muss. Aber das geht nicht, solange dort der Krieg herrscht», fügte Merz hinzu. Der Krieg in der Ukraine werde nicht «mit deutschen Soldaten» beendet werden.
Im Hinblick auf die Verteidigungs- und Sicherheitspolitik mache er sich grosse Sorgen über das Verhalten der US-Regierung, sagte Merz weiter. «Wir müssen uns darauf einstellen, dass Donald Trump das Beistandsversprechen des Nato-Vertrages nicht mehr uneingeschränkt gelten lässt. Deswegen ist es aus meiner Sicht wichtig, dass die Europäer jetzt wirklich grösste Kraftanstrengungen unternehmen, um wenigstens in der Lage sein zu können, den europäischen Kontinent aus eigener Kraft zu verteidigen», sagte der Kanzlerkandidat.
Was Friedrich Merz noch zur Verteidigung sagt, erfährst du hier.
Wagenknecht: Deutschland «keine freie Gesellschaft»
Sahra Wagenknecht, hat am Ende ihrer Wahlkampftour scharfe Kritik an der Meinungsfreiheit in Deutschland geübt. Wie die «Tagesschau» berichtete, zog sie dabei einen Vergleich zur ehemaligen DDR.
Vor einer Menschenmenge am Brandenburger Tor in Berlin erklärte Wagenknecht, dass sie in Ostdeutschland aufgewachsen sei. «Wenn man dort SED-Chef Erich Honecker einen Schwachkopf genannt hätte, dann hätte man sicherlich ziemlichen Ärger bekommen.» Weiter sagte sie: «Aber ehrlich gesagt, ich hätte mir nach der Wende nicht vorstellen können, dass ich 30 Jahre später schon wieder in einer Gesellschaft lebe, wo Menschen die Polizei nach Hause geschickt wird und sie angezeigt werden, weil sie einen Minister einen Schwachkopf nennen.» Wagenknecht nannte jedoch keinen Zusammenhang.
Steve Bannon rechnet mit starker AfD
Die bevorstehende Bundestagswahl in Deutschland erregt auch international Aufmerksamkeit. Wie das Magazin Stern berichtet, erwartet Steve Bannon, ehemaliger Berater von Donald Trump, einen «klaren und bedeutenden Erfolg» der AfD. Bannon sieht darin einen möglichen Rechtsruck in Europa.
Der rechte Publizist hatte bereits früher versucht, populistische Parteien in Europa zu unterstützen. Laut Stern gründete er dafür die in Brüssel ansässige «Bewegung». Aktuelle Umfragen geben Bannons Prognose zumindest nicht Unrecht: Die AfD liegt derzeit bei 21 Prozent und wäre damit zweitstärkste Kraft.
Neue Umfrage: Merz könnte ein Problem bekommen
Friedrich Merz (69) könnte ein Problem bekommen. Nach einer neuen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Insa wird keine von Merz' präferierten Konstellationen Schwarz-Rot oder Schwarz-Grün eine Mehrheit bei der Bundestagswahl erlangen. Nur ein Bündnis von Union und AfD, das Merz aber entschieden ausschliesst, bekäme derzeit eine Mehrheit.
In einer Fernsehsendung am Mittwochabend, die von «Welt» und «Bild» übertragen wurde, hatte der CDU-Politiker noch einmal betont, wie wichtig ein starkes Ergebnis für die Union sei, um möglichst nur mit einem Koalitionspartner zusammenarbeiten zu können. Nur dann gäbe es die Chance auf einen Politikwechsel in Deutschland.
Scholz setzt auf noch unentschlossene Wähler am Sonntag
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat sich mit Blick auf die Bundestagswahl optimistisch gezeigt: Er setzt auf zahlreiche noch unentschlossene Wählerinnen und Wähler. Er sei überzeugt, dass viele Menschen am Sonntag in die Wahlkabine gingen «und sich erst dann entscheiden, wen und welche Partei sie wählen», sagte Scholz am Mittwochabend beim TV-Duell von Bild und Welt TV.
Er glaube auch, dass letztlich dann viele «die Kreuze machen bei der SPD und auch mir einen neuen Auftrag geben, die nächste Regierung zu führen», fuhr Scholz fort. Die SPD lag in Umfragen zuletzt bei 15 bis 16 Prozent. Das Politbarometer des ZDF hatte vor einigen Tagen ergeben, dass noch 28 Prozent der Wahlberechtigten unentschlossen sind.
Habeck räumt ein: «Wahrscheinlichkeit» Kanzler zu werden, «nicht gigantisch gross»
Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck rechnet eher nicht mit seinem Einzug ins höchste Regierungsamt. «Die Wahrscheinlichkeit ist jetzt nicht gigantisch gross, das räume ich ein», sagte Habeck am Mittwoch in der ARD-Sendung «Farbe bekennen». Seine Kandidatur für das Amt des Bundeskanzlers sei «natürlich immer eine kühne Ansage» gewesen, sagte Habeck – und fügte hinzu: «Ich weiss nicht, ob wir regieren können, aber wir wollen darum kämpfen, Verantwortung zu übernehmen.»
Für das Szenario einer Koalition mit der Union sieht Habeck mit «eine vergleichsweise grosse Übereinstimmung in der Haltung zur Ukraine und gegenüber Russland». Das sei «auch dringend notwendig, wenn ich jetzt sehe, was Donald Trump macht». Dass US-Präsident Trump nun der Ukraine die Schuld am Krieg mit Russland gebe, sei «ja kaum auszuhalten». Bei allen anderen politischen Fragen seien die Grünen und die Union aber «denkbar weit auseinander», so Habeck.
Alice Weidel im Porträt
Die AfD-Kanzlerkandidatin Alice Weidel sorgt für Kontroversen. Trotz ihrer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft vertritt sie eine Partei, die gegen Homosexualität hetzt.
Ihre politische Strategie basiert auf kalkulierter Anpassungsfähigkeit und provokanten Aussagen. Das ganze Porträt findest du hier.
Der Weg von der Stimmabgabe bis zum amtlichen Endergebnis der Bundestagswahl ist lang und wird von Prognosen und Hochrechnungen begleitet. Ein Überblick der verschiedenen Erhebungen rund um die Wahl zum 21. Deutschen Bundestag am kommenden Sonntag.
Umfragen
Vor der Wahl erscheinen zahlreiche Umfragen von Meinungsforschungsinstituten. Das Prinzip dabei ist fast immer gleich: In der Regel zwischen tausend und 1500 zufällig ausgewählte Wahlberechtigte werden befragt. Auf dieser Grundlage wird dann von den Meinungsforschungsinstituten ein Ergebnis etwa für die Sonntagsfrage («Wenn am nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre...») berechnet.
Diese Umfragen sind allerdings keine Prognosen für den Wahlausgang, sondern nur ein aktuelles Stimmungsbild. Umfragen «geben lediglich das Stimmungsbild für die Parteien zum jetzigen Zeitpunkt wieder und stellen keine Prognose für den Wahlausgang am 23. Februar dar», stellte die Forschungsgruppe Wahlen bei der Veröffentlichung des aktuellen «Politbarometers» klar. Bis zum Wahltag könnte es noch Veränderungen geben – «durch kurzfristige Entwicklungen, koalitionstaktische Überlegungen und unterschiedliche Mobilisierungserfolge der Parteien».
Übersehen wird oft auch, dass die Institute selbst immer auf einen Fehlerbereich hinweisen. Dieser liegt zwischen in der Regel bei plus/minus zwei oder drei Prozentpunkte – daraus ergibt sich eine beträchtliche Spannweite.
Prognosen
Die am Wahlsonntag um Punkt 18.00 Uhr veröffentlichten Prognosen lagen in der Vergangenheit dagegen oft schon ziemlich nah am Endergebnis, auch wenn zu diesem Zeitpunkt noch kein einziger Wahlzettel ausgezählt ist. Die Prognose beruht auf Befragungen von Wählern direkt nach Verlassen des Wahllokals. Sie füllen dazu einen Fragebogen der Wahlforscher aus. Diese sogenannten Exit Polls bilden die Grundlage für die Berechnungen der Wahlforscher.
Die Meinungsforschungsinstitute nehmen die Wählerbefragungen am Wahltag vor einzelnen ausgewählten Wahllokalen anonym vor. Niemand ist verpflichtet, Auskunft zu geben.
Hochrechnungen
Weniger als eine Stunde nach der Prognose werden in der Regel die ersten Hochrechnungen der Meinungsforschungsinstitute veröffentlicht. Diese beruhen dann nicht mehr auf Befragungen, sondern auf amtlichen Auszählungen in zufällig ausgewählten Stimmbezirken. Aus diesen amtlichen Teilergebnissen errechnen die Meinungsforschungsinstitute das wahrscheinliche Gesamtergebnis. Diese Zahlen werden im Verlauf des Wahlabends immer exakter, weil immer mehr Teilergebnisse einfliessen.
Amtliches Endergebnis
Das vorläufige Endergebnis veröffentlicht die Behörde der Bundeswahlleiterin in der Wahlnacht auf Grundlage der amtlichen Ergebnisse aus allen Wahlbezirken. In der Regel liegt dieses erste offizielle Ergebnis am frühen Montagmorgen vor. Das endgültige Ergebnis wird erst Wochen nach der Wahl verkündet.
Zunächst überprüft die Bundeswahlleiterin die von den Landeswahlausschüssen ermittelten Ergebnisse aus den 16 Bundesländern. Schliesslich stellt dann der Bundeswahlausschuss das Ergebnis fest, dem neben der Bundeswahlleiterin als Vorsitzender noch acht Beisitzer und zwei Richter des Bundesverwaltungsgerichts angehören.