Fritz Züger kämpft mit den Tränen. «Doris war die wichtigste Person in meiner Karriere. Ohne sie wäre ich niemand», sagt er. Der langjährige Ski-Trainer kann es nicht fassen, dass Ex-Ski-Star Doris de Agostini nach kurzer Krankheit mit nur 62 Jahren verstorben ist. «Im April feierten wir noch gemeinsam ihren Geburtstag. Und nun ist Doris tot. Seit ihre Schwester mir vor einigen Tagen sagte, dass Doris schwer krank ist, habe ich keine Nacht geschlafen.»
De Agostini erfuhr in diesem Herbst von ihrer schweren Erkrankung. «Das ist das wichtigste Rennen meines Lebens», habe sie nach der Diagnose zu ihr gesagt, so eine Freundin zu BLICK. «Ich muss jetzt hart kämpfen.» Am Wochenende verlor die Tessinerin ihren Kampf.
Mit 25 bereits der Rücktritt
De Agostini fuhr in ihrer Karriere 19 Mal aufs Podest. Den ersten Weltcupsieg holte sie 1976 in Bad Gastein. Es war ihr allererstes Rennen. Bei Nebel, Wind und Schnee fuhr die damals 17-Jährige mit Startnummer 26 auf Platz 1. Damals war De Agostini noch ein Nobody – sie profitierte von den günstig werdenden Wetterbedingungen. Und wurde angefeindet. «Ich habe von den Umständen profitiert. Denn ich war damals noch nicht nicht fähig, Rennen zu gewinnen», erzählte sie rückblickend.
Dennoch legte die Frau vom Skiclub Airolo eine tolle Karriere hin. 1978 holte sie in Garmisch Bronze, 1983 gewann sie den Abfahrtsweltcup. Im selben Jahr wurde De Agostini zur Schweizer Sportlerin des Jahres gewählt – und beendete auf dem Höhepunkt mit erst 25 Jahren ihre Karriere. «Sie wollte schon zwei Jahre früher zurücktreten. Nach zwei Stunden Autofahrt und einer langen Diskussion überredete ich sie, doch noch weiterzumachen. Es lohnte sich», erinnert sich Züger. Er fing 1981 an, mit De Agostini zu arbeiten. Zuerst als Servicemann, dann als Trainer. «Vor allem aber waren wir Freunde. Doris war unglaublich positiv, aber auch ehrgeizig. Und direkt. Das ist ein Rieseneinschnitt in meinem Leben.»
Sie verkaufte Souvenirs auf dem Gotthard
De Agostini war zu einer Zeit Skifahrerin, als das grosse Geld noch nicht zu verdienen war. Während des Sommers arbeitete sie für zweieinhalb Monate als Souvenir-Verkäuferin auf dem Gotthard-Pass. Sie brauchte das Geld, um sich ein paar Rennski zuzulegen. «Das war damals ein gutes Geschäft, da es noch keinen Tunnel gab und alle Autos über den Gotthard mussten. Ich hatte 750 Franken verdient, davon blieb mir nach dem Kauf eines paar Head-Ski, die ich unbedingt wollte, aber gerade noch 20 Franken übrig», erzählte De Agostini dem Journalisten Richard Hegglin. Dieser berichtet damals an den Rennen über das Abfahrts-Ass. Über ihren Rücktritt mit nur 25 Jahren sagt er: «Das war zu jener Zeit bei den Frauen nicht aussergewöhnlich. Sie stiegen früh in den Ski-Zirkus ein, verliessen diesen aber auch wieder früh.»
De Agostini erzählte im Sportpanorama vor neun Jahren: «Ich freute mich auf mein anderes Leben. Auf meine Familie. Ich habe einen guten Mann gefunden. Ich durfte endlich auch mal etwas für die anderen machen. Davor machten die anderen immer etwas für mich.»
Ihr Mann, das war Luca Rossetti. Mit dem Eishockey-Crack (Ambri, Kloten, ZSC) hatte sie zwei Kinder – Andrea (30) und Alessia (27) sind längst erwachsen. «Doris war auf der Piste ein wilde Henne. Unglaublich mutig. Zuhause aber war sie ganz anders, sanft und lieb», erinnert sich Züger.
Der Mann, der später Ski-Grössen wie Mike von Grünigen, Paul Accola und Silvano Beltrametti trainierte, kann immer noch nicht fassen, dass De Agostini nicht mehr da ist. «Ich schaue alte Fotos von ihr und trauere. Es wird lange dauern, bis ich diesen Schock überwunden habe.»