Transgender-Rennfahrerin will in Le Mans starten
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Charlie Martins irre Story:Transgender-Rennfahrerin will in Le Mans starten

Die verrückte Lebensgeschichte von Charlie Martin
Transgender-Rennfahrerin will in Le Mans starten

Seit sie als Frau statt als Mann im Cockpit sitzt, gibt Charlie Martin selbst bei irren Bergrennen wie in St-Ursanne JU ohne Angst Vollgas. Jetzt will die Engländerin in Le Mans Rennsport-Geschichte schreiben.
Publiziert: 26.05.2020 um 20:56 Uhr
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Der grosse Traum von Le Mans: Rennfahrerin Charlie Martin war früher ein Mann.
Foto: racepix.eu
Matthias Dubach

Als Kind ist Charlie Martin ein Bub und träumt davon, ein Top-Gun-Kampfjet-Pilot zu werden. Als junger Mann entdeckt Charlie den Motorsport und fährt in England Bergrennen. Nun ist Charlie Martin (38) seit acht Jahren eine Frau und hat einen grossen Traum: 2021 bei den 24 Stunden von Le Mans zu starten.

Die Britin aus Leicester will Geschichte schreiben: In der 97-jährigen Geschichte des Langstrecken-Klassikers war noch nie eine Transgender-Fahrerin am Start. Martin sagt zu BLICK: «Als erste LGBT-Vertreterin bei einem der grössten Rennen der Welt zu fahren, wäre ein enormer Schritt für die Diversität. Der Motorsport ist ja völlig männerdominiert.»

«Es war alles furchteinflössend»

Dem 24-Stunden-Mythos ist Charlie verfallen, als sie als 19-Jähriger mit dem älteren Bruder erstmals das Rennen in Frankreich besucht. «Ich war hin und weg. Doch als ich später via den Vater eines Freundes mit Bergrennen begonnen habe, war Le Mans für mich so weit weg wie ein Spaziergang auf dem Mond.»

Erst die prägendste Entscheidung ihres Lebens änderte das. Martin hat die ersten 30 Jahre im falschen Körper verbracht. Er fühlt sich als Frau. In Gesprächen mit Transgender-Kollegen reift der Entschluss für die Geschlechtsumwandlung. Martin: «Es ist eine grosse Sache, es wirklich durchzuziehen. Man führt zwar viele Gespräche mit Gleichgesinnten, aber am Ende sind die Operationen eine Reise ins Unbekannte. Im ersten Jahr danach war alles furchteinflössend.»

Nicht jeder kennt ihre Vergangenheit

Jeder Gang vor die Haustür ist eine Herausforderung. Das Einkaufen. In der Bar. Bei der Arbeit. «Du denkst dauernd, jeder glotzt dich an. Doch ich habe diese Phase durchgestanden und so viel Selbstvertrauen bekommen.»

Mit neuem Mut und als Frau forciert Charlie ihre Auto-Karriere. Sie hat im Studium Französisch gelernt und fährt ab 2014 regelmässig Bergrennen in Frankreich. Ganz alleine reist sie jeweils an, schraubt selber am Rennauto – und geniesst es, dass nicht jeder ihre Vergangenheit kennt.

«Egal was passiert …»

Auch in der familiären Schweizer Berg-Szene tritt sie an. Einmal am Gurnigel. Und zweimal in St-Ursanne, dem irren, schnellsten Bergrennen Europas hoch nach Les Rangiers. Doch das Risiko und die Gefahren machen der Britin keine Angst. «Nach meiner Geschlechtsumwandlung wusste ich: Egal was in meinem Leben passiert, ich habe genug Mut und Kraft, es zu meistern.»

Auch die Trennung von ihrer Lebenspartnerin letztes Jahr steckt sie weg. Martin hofft auf eine neue Liebe: «Ich bin optimistisch, dass ich wieder jemanden kennenlerne.»

Noch läuft die Sponsoren-Suche

Ende 2017 fährt Martin erstmals auf einer Rundstrecke: Ein kleines 3-Stundenrennen auf der kurzen Strecke in Le Mans. Charlie schafft es aufs Podest. Es ist die Initialzündung. «Ich realisierte: Wenn ich es als Frau hierher auf ein kleines Le-Mans-Podest geschafft habe, kann ich es auch an das grosse 24-Stunden-Rennen schaffen!»

Die Britin macht ernst. Martin wird diese Saison erstmals in Deutschland die Langstrecken-Meisterschaft auf der berüchtigten Nürburgring-Nordschleife fahren. Alles als Vorbereitung auf ihr grosses Ziel Le Mans. Schon jetzt sucht sie Sponsoren, damit sie ihren Helm in den Pride-Regenbogenfarben 2021 in Le Mans tragen kann.

Eltern bereits gestorben

Traurig macht Charlie nur eines: Dass ihre Eltern ihre verrückte Lebensgeschichte nicht miterleben. Der Vater stirbt schon während ihrer Kindheit an Krebs. Auch die Mutter erliegt der heimtückischen Krankheit, als Martin erst 23 ist: «Sie hat mir noch 400 Pfund an mein erstes Rennauto gegeben. Es bedeutet mir viel, dass sie noch den Anfang zu dem miterlebte, was heute meine grosse Leidenschaft ist: Der Rennsport.»

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