Vor allem wegen Inflation
Schweizer Börse erlebt schlechtestes Halbjahr seit Jahren

Die Finanzmärkte haben sich im ersten Halbjahr weltweit so schlecht entwickelt wie seit der Finanzkrise nicht mehr. Dabei sind Aktien wie Obligationen oder auch die zuletzt stark gelaufenen Kryptoanlagen massiv unter die Räder geraten.
Publiziert: 27.06.2022 um 15:31 Uhr
Rote Aktienkurse flackern über den Bildschirm der SIX Swiss Exchange (Archivbild).
Foto: ENNIO LEANZA

Der Swiss Market Index (SMI) hat in diesem Jahr bis dato gut 15 Prozent verloren. Mit gut 10'850 Punkten ist er wieder auf das Niveau vom März 2021 zurückgefallen. Zwischenzeitlich notierte der Leitindex mit 10'350 Punkten so tief wie im Dezember 2020.

Andere Börsen wie der US-Leitindex Dow Jones (-13%), die US-Technologiebörse Nasdaq (-25%) oder auch der deutsche DAX (-16%) haben in diesem Jahr ähnlich viel an Wert eingebüsst.

Auch am Obligationenmarkt kam es zu einem kräftigen Kursrückgang. Der Index der Schweizer Staatsanleihen ist ähnlich wie die Aktien um rund 15 Prozent eingebrochen. Gleichzeitig ist die jahrelange Phase negativer Renditen zu Ende gegangen.

Nun erhält, wer sein Geld in Anleihen der Eidgenossenschaft anlegt, wieder einen positiven Ertrag und muss nicht mehr draufzahlen. Die Rendite der zehnjährigen Eidgenossen ist seit Jahresanfang von -0,1 auf rund +1,5 Prozent gestiegen.

Dabei sah es Anfang 2022 noch sehr gut für die Börsen aus. Alle Anzeichen deuteten auf weiteres Wachstum und gleich zu Jahresanfang verbuchte der Schweizer Leitindex bei 12'997 Punkten ein neues Rekordhoch. Danach legten die Märkte den Rückwärtsgang ein

Der wichtigste Grund dafür: Die Inflation zog weltweit weiter an. Sie verschwand nicht einfach «von alleine», so wie es viele Notenbanken und Ökonomen versprochen hatten. Angetrieben wurde die Teuerung zunächst von der konjunkturellen Erholung nach Aufhebung der Coronamassnahmen, dann kamen Lieferkettenprobleme sowie Material- und Personalmangel.

Die ersten drei Monate 2022, in dem der SMI gut 5 Prozent verlor, verlief noch vergleichsweise gut. Doch dann verstärkte der Krieg in der Ukraine, der zu allem auch noch eine Ernährungs- und Energiekrise auszulösen droht, die bereits bestehenden negativen Faktoren. «Der Ukraine-Krieg war ein Game Changer», sagte Thomas Heller, Investmentchef und Geschäftsleitungsmitglied von Belvédère Asset Management, zu AWP.

Heute straffen die Notenbanken rund um den Globus ihre Geldpolitik in dem Versuch, der Inflation Herr zu werden. Dies heizt die Sorgen der Anleger an, dass die Zentralbanken die Zinsen zu stark erhöhen und damit eine Rezession auslösen.

Mitte Juni dann versetzten hintereinander die US-Notenbank Fed und die Schweizerische Nationalbank mit unerwartet starken Zinsschritten den Märkten einen nächsten Schock. Daraufhin gewann die Abwärtsbewegung an den Finanzmärkten an Fahrt.

«Das alles geschah in einer Phase, in der die Aktienbewertung sehr hoch war. Plötzlich kamen Zweifel auf, ob die Unternehmen die Gewinnerwartungen denn auch wirklich erfüllen können», sagte ein Händler. Die habe einen «perfekten Sturm» ausgelöst, sagte Thomas Heller.

Bei steigenden Zinsen litten Aktien von Firmen mit hohen Wachstumsraten am stärksten, sagen Experten. So gehörten Aktien von Unternehmen wie der Hochtechnologiefirmen VAT und AMS Osram, des Medizintechnikers Straumann und des Asset Managers Partners Group mit Einbussen von 40 Prozent und mehr zu den grössten Verlierern.

Auch die Aktien der erfolgreichen Bauzulieferer Sika und Geberit und des Pharmazulieferers Lonza oder des Aromenherstellers Givaudan verloren mehr als 30 Prozent. Das liege allerdings nicht an falschen Geschäftsmodellen der genannten Unternehmen, sagte Renato Flückiger, CIO der Valiant Bank. Der Grund für die Rückschläge ist sehr einfach: Die genannten Aktien waren im Vorjahr massiv gestiegen.

Gewinner bei den Blue Chips sind sehr dünn gesät. Zu finden sind sie unter defensiven Werten und Substanztiteln wie Zurich Insurance (+4%) und Swisscom (+1,5%) oder beim Pharmariese Novartis (+0,5%).

Bei Finanzwerten wirkten zwei gegenläufige Faktoren, sagte Heller. Bei einer Wachstumsabschwächung steigen die Risiken, dass Banken mit Abschreibungen zu kämpfen haben. Auf der anderen Seite profitieren sie bei steigenden Zinsen auf der Margenseite.

So zählten die Aktien der Grossbank UBS mit minus 2 Prozent zu den besseren Aktien im ersten Halbjahr. Dagegen litten Credit Suisse (-35%) mehr unter firmenspezifischen Problemen, sagte Heller.

(SDA)

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