Kulinarik
«Wenn Mozzarella-Machen für mich zur Arbeit wird, höre ich auf»

In einer kleinen Molkerei in Faido verarbeitet der Apulier Antonio Taccogna die Milch, die er als beste der Welt bezeichnet, zu Mozzarella-Zöpfchen. Sie haben wenig gemein haben mit industriell gefertigtem Frischkäse, wie ein Besuch in der «Latteria del Borgo» zeigt.
Publiziert: 21.07.2020 um 10:11 Uhr
Antonio Taccogna bei der Herstellung von Mozzarella in der Molkerei "Latteria del Borgo" in Faido.
Foto: Alessandro Crinari

Antonio Taccognas Hände brauchen am Abend eine dicke Schicht Glycerinsalbe, um sich regenerieren zu können. «Ich verbrenne sie mir jeden Tag, um möglichst viel Geschmack in den Mozzarella zu bringen», erklärt der 43-Jährige und fährt wie zum Beweis mit seinen Fingern durch das 80 Grad heisse Wasser, dem er eben Lab beigemischt hat. «Wird das Wasser nicht ständig bewegt, zieht sich der Mozzarella zusammen», erklärt Taccogna. Eine Maschine einzusetzen, würde seinen Überzeugungen widersprechen. Deshalb macht er fast alles von Hand.

Der gebürtige Apulier stellt seit seinem 13. Lebensjahr Mozzarella her. Gelernt hat er es von seinem Onkel. Dieser besass in Taccognas Geburtsort Altamura – eigentlich Hochburg des apulischen Hartweizen-Brotes – eine Molkerei. Später eröffnete er dort seine eigene, und 2009 beschloss er, Arbeit in der Schweiz zu suchen.

«Hier gibt es die beste Milch der Welt!», sagt Taccogna und verfällt auf der Stelle ins Schwärmen. Die gesamte Struktur der Milch sei hier anders als in Italien. Am liebsten sei ihm jene vom Braunvieh. Die braunen Kühe seien zwar weniger «produktiv» als die schwarz-weissen, dafür enthalte ihre Milch mehr Fett, nämlich ganze viereinhalb Prozent. «Das Fett macht den Mozzarella geschmeidig und gibt ihm Geschmack.»

Taccogna macht in seiner kleinen Molkerei fast alles selbst. Für einen fixen Angestellten reiche es nicht, sagt er. «Ausserdem habe ich gerne selber die Fäden in der Hand.» Auch die Milch holt er selber bei den Bauern ab. Im Sommer fährt er dafür in den Weiler Nante ob Airolo. Diese Milch, die auf 1370 Metern über Meer entsteht, koste 1,05 Franken statt der üblichen 90 Rappen pro Liter, aber das lohne sich, sagt Taccogna. Denn sie dufte nach frischen Blumen. «Alles, was die Kühe fressen, hat einen direkten Einfluss auf den Mozzarella.»

Nebst der Qualität der «prima materia» – also der Milch – ist die Wassertemperatur entscheidend für den Geschmack. Je höher die Temperatur, desto mehr Fett könne der Mozzarella aufnehmen, erklärt der Wahltessiner, hievt mit einer Kelle ein Stück der im Wasser schwimmenden Masse aus der grossen Pfanne und zieht den elastischen Teig vorsichtig nach oben, damit er sich dehnt.

Mit der freien Hand greift Taccogna nach dem Käse und prüft dessen Konsistenz. «Guter Mozzarella muss solche Fäden aufweisen», erklärt er und zieht den Teig geschickt zu einem langen Strang, ohne dass dieser reisst. Rasch formt er kleine Knoten und gibt einen «nodo» nach dem anderen in eine grosse Schüssel kalten Wassers.

Rund 40 Kilogramm Mozzarella stellt Antonio Taccogna jeden Tag her. Dafür steht er 16 Stunden in seiner Molkerei. Müde wirkt er jedoch kein bisschen: «Mozzarella herzustellen ist ein Vergnügen für mich.» Wenn er sein Handwerk eines Tages als Arbeit empfinde, höre er auf.

Anfangs hätten die Leute im Dorf seinen Mozzarella zu teuer gefunden, erzählt der Käser. «Heute kaufen sie bei mir ein – zumindest, wenn sie Besuch erwarten», sagt Taccogna lachend. 26 Franken pro Kilogramm kostet der Pasta-Filata-Käse in der «Latteria del Borgo» – rund viermal so viel wie bei Grossverteilern, deren Preis Taccogna völlig unrealistisch findet. «Für unter zehn Franken pro Kilogramm kann man keinen Mozzarella herstellen!»

Und schon gar keinen, der so schmeckt wie jener der «Latteria del Borgo": Noch lauwarm ist der Mozzarella auf der Zunge angenehm salzig, die Konsistenz ist locker-zart statt kompakt. Als Salat bräuchte es nichts weiter als die Vermählung mit einer reifen Tomate und ein paar Tropfen Olivenöl. Dass man jenseits des Gotthards Essig über die weltberühmte Insalata Caprese gibt, kann Taccogna kaum glauben. «Was? Ich verbrenne mir hier die Hände, und ihr giesst im Norden Essig über den Mozzarella?»

Immerhin hat es unter den Deutschschweizer Stammkunden des Apuliers auch einige, die seine Produkte am liebsten pur geniessen: Zum Beispiel das Paar, das jeweils auf der Heimreise in Faido vorbeikomme, um Burrata zu kaufen. Die Frau pflege die erste Kugel dieser rahmigen Köstlichkeit bereits während der Fahrt durch den Gotthardtunnel zu verspeisen.

Aus seiner Heimat vermisst Antonio Taccogna vor allem das Essen. Manchmal träumt er von einem speziellen Dessert seiner Mutter, das aus gekochter Pasta, frischer Ricotta, Zimt, Zucker und Zitronenzesten hergestellt werde. «Incredibile!», ruft der Käser aus.

Auf die Frage nach seinem Schweizer Lieblingsessen legt Taccogna eine höfliche Pause ein. Sicher gebe es gut gemachte Schweizer Gerichte, in den Sinn kommen will ihm aber keines. «Ich liebe Schweizer Käse, vor allem rezenten Gruyère», sagt er dann versöhnlich.

(SDA)

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