Lugano-Boss Angelo Renzetti (64)
«Sutter und Hüppi denken, sie seien Fussball-Päpste»

Der Architekt Angelo Renzetti ist der Baumeister des FC Lugano. Er kämpft mit seinem Gewicht und für seinen Klub, dabei spricht er leise auf italienisch – aber immer deutsch und deutlich!
Publiziert: 21.11.2018 um 09:11 Uhr
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Aktualisiert: 15.06.2023 um 00:08 Uhr
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Lugano-Präsident Angelo Renzetti gönnt sich an der Bar in der Villa Sassa, wo er wohnt, einen Kaffee.
Foto: TOTO MARTI
Michael Wegmann (Text), Toto Marti (Fotos)

Angelo Renzetti (64) sitzt an einem Tisch in der Bar der Villa Sassa in Lugano. Barkeeper Salvatore bringt Mango-Salat und Mineralwasser. Sie plaudern wie Brüder. Irgendwie sind sie es auch. Denn Renzetti wohnt hier im 4-Sterne-Hotel, obwohl er – ein angesehener Architekt – mit seinem Architekturbüro in ­Lugano und Locarno mehr als 600 Wohnungen entworfen hat.

In der Villa Sassa müsse er weder kochen noch aufräumen. Nicht putzen, nicht staubsaugen. Hier könne er rund um die Uhr essen oder einen Espresso trinken, sagt er. «Das ist Lebensqualität. So kann ich mich aufs Wesentliche konzentrieren.»

Wesentlich in seinem Fall ist seine Firma: Mit 29 hat er sie ­gegründet, demnächst wird er sie seinem 32-jährigen Sohn aus erster Ehe übergeben. Wesentlich ist auch seine dritte Ehefrau, die er vor vier Jahren geheiratet hat. «Ich hätte nicht ein drittes Mal heiraten müssen. Aber 
Sie wissen doch: Frauen wollen ­Sicherheit», sagt er und schmunzelt. Ist es einfach, mit Ihnen? «Sehr einfach.»

«Ich mag das Risiko!»

Und da ist sein FC Lugano. Renzetti, den alle «Pres» nennen,­ ist Präsident, Besitzer und Alleinherrscher. Seit acht Jahren Lugano-Boss. «Darauf bin ich sehr stolz. Das Risiko, einen T­essiner Fussballklub zu führen, ist riesig. Lugano, Bellinzona, Locarno, alle sind bankrott gegangen. Aber ich mag das Risiko!»

Renzetti investiert viel Geld und Herzblut in den Klub. Er hat den Verein von der Challenge League in die Super League und gar zwischenzeitlich in die ­Europa League geführt. Dennoch ist der wuchtige Italiener mit den langen Haaren in der Deutschschweiz eigentlich nur als Polteri bekannt. Als impul­siver Präsident, der sein Herz auf der Zunge trägt. Als Boss, der ­öffentlich Trainer oder Spieler kritisiert und mit seinem Gewicht kämpft. Als Verrückter. «Ich trage die Verantwortung für diesen Klub. Ich bin ein Fussballverrückter. Ich kämpfe und gebe alles für Lugano», sagt er.

Renzetti rastet nach 0:1 auf der Trainerbank aus!
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Lugano-Präsident tobt:Renzetti rastet nach 0:1 auf der Trainerbank aus!

Renzetti spricht überraschend leise. Es sind leise Töne mit brisantem Inhalt. Wie die Mehrheit der Tessiner fühlt sich Renzetti ab und zu benachteiligt. «Wenn zum Beispiel die FCB-Spieler hundert Fouls begehen, kriegen sie dafür zwanzig Gelbe Karten. Wir hingegen vierzig.» Es geht ihm nicht nur um Spitzfindig­keiten. Es geht ihm auch um ­Vermarktungsfragen oder TV-Rechte. «Es kann nicht sein, dass überall in der Schweiz dieselben Regeln gelten. Wir Tessiner haben eine ganz andere DNA als die Deutschschweizer. Uns hier unten passt euer Veston nicht.»

«Habe hundert Ideen mehr als Sulser»

In der Liga gäbe es einige ­Dinge, die man besser machen könnte, meint er. Und weshalb sind Sie nicht im Liga-Komitee? Renzetti: «Wäre ich gerne, ich hätte auch viele Ideen. Aber man würde mich da nicht verstehen, weil ich nur italienisch spreche.» Dass sein Tessin durch den Nati-Delegierten Claudio Sulser vertreten ist, macht ihn nicht glücklicher. Renzetti: «Ich habe hundert Ideen mehr als Claudio. Und ich hätte auch den Mut, für diese einzustehen!»

Renzetti ist keiner, der um den heissen Brei herumredet. War er nie, wird er nie sein. Probleme gehörten auf den Tisch, findet er, «wenn Sie Liebe machen, ziehen Sie Ihre Kleider auch aus!»

So hat er es zu Hause gelernt. Seine Eltern kamen in die Schweiz, weil sie in Pescara ­keine Zukunft mehr sahen. Da war Klein Angelo sechs. Sein ­Vater fand eine Stelle in einer Giesserei. «Als wir in die Schweiz kamen, hatten wir nichts. Ich 
bin ein Immigranten-Bub, 
habe schon früh gelernt zu kämpfen. Das ist mein Charakter, das ist mein Leben ...» Er 
studiert in Bellinzona, daneben spielt er Fussball. Als Goalie spielte er mit Locarno in 
der 1. Liga. «Ich war gut», sagt er und schmunzelt. Mitte der Siebziger steht er gar im Kader von Bellin­zona in der NLB.

Obwohl er keinen Schweizer Pass hat, ist er längst Tessiner. Und das Tessin brauche unbedingt wieder einen Nati-Spieler. Klar denkt er dabei an seinen 
«Pupillo», seinen Ziehsohn, Mattia Bottani (27). «Er hätte das Zeug dazu!»

«Sutter und Hüppi denken, sie seien Fussballpäpste»

Renzetti könnte auch seinen Innenverteidiger Fabio Daprelà (27) portieren. Doch dieser war zuletzt wegen seines brutalen Fouls an St.-Gallen-Stürmer Cedric Itten für sechs Spiele gesperrt. In St. Gallen schäumte man und stellte Daprelà an den Pranger. Sportchef Alain Sutter unterstellte dem Verteidiger 
gar Absicht. Das geht Renzetti viel zu weit. «Fabio wurde 
wie ein Verbrecher behandelt, 
er hat wahnsinnig gelitten. 
Alain Sutter und Matthias Hüppi denken, sie seien in der Schweiz zwei Fussballpäpste, nur weil 
sie beim TV gewesen sind», sagt er leise.

Barkeeper Salvatore bringt ihm ein Vanille-Eis zum Dessert. Wie stehts eigentlich um sein ­Gewicht? Renzetti lacht und sagt: «Wenn es dem FC Lugano gut geht, habe ich 100 Kilo. Wenn nicht, 120 Kilo. Zurzeit habe ich 120.»

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