Ein Salto auf einer Mauer beim Zürcher Limmatquai. Eine 180-Grad-Drehung auf dem Sechseläutenplatz, mit der Oper als Kulisse. Eine Klettereinheit auf einer Eisenbahnbrücke, fünf Meter unter ihm die eiskalte Limmat.
Wenn Joel Eggimann eine Stadt besichtigt, dann tut er das nicht wie jeder andere. Was für den Ottonormalverbraucher ein unüberwindbares Hindernis ist, nutzt er zur künstlerischen Art der Fortbewegung.
Freerunning nennt sich das. Plakatwände? Strassenlaternen? Mauern? Kein Problem für Eggimann. Kein Sprung ist ihm zu weit, kein Gebäude zu hoch. Als er auf einer Mauer am Grossmünster einen Handstand macht, stockt den Passanten der Atem. Sie bleiben verdutzt stehen. «Respekt, mein Freund», ruft ein Schaulustiger.
Solche Reaktionen hört Eggimann oft. Wenn er mit seinen Freunden mitten in der Stadt am Trainieren ist, sorgt das für Aufsehen. «Es kommt regelmässig vor, dass Leute stehen bleiben und uns fragen, was wir da machen. Meistens sind sie begeistert.»
Leute zu beeindrucken, ist aber nicht das Ziel der Freerunner. Es geht ihnen darum, neue Wege zu finden, dabei die Hindernisse und die Umgebung geschickt einzusetzen und mit Hilfe der gelernten Techniken die Situationen gefahrenlos zu meistern.
Ein Lebensstil und eine Suche nach Freiheit
Für Aussenstehende mag das gefährlich aussehen. Darum geht es Eggimann aber nicht. Als er auf das Viadukt klettert und sich in der Mitte hinunterhängen lässt, streckt er langsam seine Beine in alle Richtungen aus. «Es ist ein unglaubliches Freiheitsgefühl, wenn man nichts unter sich hat.»
Wer Eggimann beobachtet, merkt schnell: Für ihn ist Freerunning mehr als nur ein Sport. Es ist ein Lebensstil, eine Suche nach Freiheit und Grenzenlosigkeit. Das ist wohl auch der Grund, warum keine Wettkämpfe notwendig sind. «Wir Freerunner brauchen keine offiziellen Vergleiche. Die Herausforderung, immer wieder neue Hindernisse zu überwinden, ist Ansporn genug.»
Dass Joel zu den Besten seines Fachs gehört, kommt nicht von ungefähr. Es ist das Ergebnis harter Arbeit. Mit 15 Jahren fing er als Freerunner an. Mittlerweile ist er Profi. Er finanziert sein Leben mit gebuchten Auftritten und Trainings, die er leitet. «Der Spass wird aber immer im Vordergrund stehen.»