Jenny H.* (30) geht seit sieben Jahren durch die Hölle. Die zierliche Frau eröffnet im Sommer 2011 ihr Tierfachgeschäft in Payerne VD. Doch die Freude währt kurz. Jenny H. wird Opfer eines Stalkers.
«Er kam jeden Tag um 9 Uhr und drückte seine Nase ans Schaufenster», erzählt die Geschäftsfrau. «Dann kam er rein und schlich um die Regale. Dabei murmelte er Unverständliches.»
Jenny H. weiss damals noch nicht: Ihr Stalker ist Philippe B.** (63). Der Schweizer ist schizophren, er hat eine dicke Krankenakte. «Er sagte, ich sei seine Freundin und ich sei schwanger von ihm», sagt Jenny H. Sie ruft jedesmal die Polizei an, wenn Philippe B. ihren Laden betritt.
2012 zeigt sie ihn erstmals wegen Stalking an. Philippe B. erhält ein Ladenverbot. Er kommt in die psychiatrische Klinik in Marsens FR. Er flüchtet. «Er schrieb mir einen Entschuldigungsbrief und rief unzählige Male an», sagt Jenny H.
Polizei rät zu Pfefferspray
Sie lebt in ständiger Angst. Im Mai 2015 steht Philippe B. wieder im Laden. Er schreit die junge Frau an: «Wieso rufst Du immer die Polizei?». Philippe B. landet wieder in der Psychiatrie. Wieder schickt er einen Entschuldigungsbrief.
Philippe B. flüchtet erneut. Ein Polizist ruft Jenny H. an: «Er riet mir, nicht allein rauszugehen und einen Pfefferspray zu besorgen.»
Ein paar Tage später ruft die Polizei wieder an: «Sie sagten, der Mann habe sich nach Frankreich abgesetzt. Ich war erleichtert.»
Doch im letzten Januar ist Philippe B. zurück. «Er kam mit weit aufgerissenen Augen in den Laden. Als ich laut schrie, rannte er davon.» Jenny H. bekommt zwei Blumensträusse. Auf den Kärtchen steht: «Ich liebe Sie.»
Auch zuhause gestalkt
Sie fordert in einem Brief an das zuständige Gericht ein sofortiges Annäherungsverbot. Als Antwort kommt ein Einzahlungsschein für 1000 Fr. «Ohne meine Anzahlung gibt es kein Verfahren», sagt sie. «Ich habe dafür kein Geld.»
Jenny H. und ihr Freund kaufen sich im Frühling ein Haus. Der Stalker findet die neue Adresse. «Ich war auf der Terrasse, da sah ich ihn draussen. Mein Freund rannte ihm nach, doch er entwischte in einem Maisfeld.»
Vier Anzeigen hat Jenny H. gegen ihren Stalker gemacht. Im Sommer steht er wieder im Laden. Sie ist nicht da. «Er sagte meiner Mitarbeiterin, er sei schwanger von mir.» Dann schlitzt sich Philippe B. im Hinterhof den Bauch mit einem Messer auf. «Er sagte, er wolle das Baby von mir rausholen.»
Nach einem Zeitungsbericht wird der Stalker am 8. Oktober verhaftet. Das Zwangsmassnahmengericht verhängt drei Monate Untersuchungshaft. Jenny H. kann sich nicht freuen: «Was passiert, wenn er wieder freikommt? Ich habe jetzt fast noch mehr Angst.»
Der zuständige Staatsanwalt wollte sich auf Anfrage nicht äussern.
*Name bekannt
**Name geändert