«S'Güggi» nannten die Churer den Sennhof, ein früher verbreiteter Dialektausdruck für Gefängnis. «Jedes Kind kennt den Sennhof in Chur», schreibt Regierungsrat Christian Rathgeb im Vorwort des Buchs «200 Jahre Bündner Strafvollzug», das letztes Jahr erschien, eineinhalb Jahre vor dem Ende des Sennhofs und dem Umzug des Gefängnisses in eine moderne neue Anstalt in Cazis in Mittelbünden.
33 Vollzugsplätze, 20 Plätze für Ausschaffungs- und vier für Untersuchungshäftlinge sind im Gefängnis am Rande der Altstadt untergebracht. Die Justizvollzugsanstalt im Schattenwurf des bischöflichen Hofes ist nicht aus einem Guss gebaut, sondern gewachsen aus einem Ensemble verschiedener Gebäude. Abgesessen werden dort auch langjährige Strafen.
Die ältesten Bauten stammen von Anfang des 17. Jahrhunderts. Der markante runde Turm bildet einen der letzten Reste der ehemaligen Churer Stadtmauer. Zunächst diente der Sennhof als Wohnhaus und landwirtschaftlichen Zwecken, zeitweise wurden dort Seifen hergestellt. 1817 kaufte der Kanton die Liegenschaft und führte sie als erste kantonale «Zuchtanstalt».
Auch der erste kantonale Verhörrichter, Baron Heinrich von Mont, hatte dort seinen Amtssitz. Bis 1995 stand das Gefängnis unter der Leitung der Staatsanwaltschaft, die heute noch Büros hinter den Mauern belegt und ebenfalls bald umziehen muss.
Geführt wird die Strafanstalt seit sechs Jahren von einer Frau: Ines Follador-Breitenmoser. Unter ihrem Regime ist noch keinem Insassen die Flucht gelungen, obschon es Versuche gab. In die Schlagzeilen geriet das Gefängnis letztmals im September 2014, als ein Häftling in seiner Zelle Handtücher, Bettdecke und Matratze in Brand steckte. Der Vorfall ging glimpflich aus.
Der Sennhof ist neben dem Thorberg im bernischen Krauchtal nicht nur eines der ältesten Gefängnisse der Schweiz, sondern gilt überdies landesweit als «strengste» geschossene Anstalt. Die Enge bekommen Insassen zu spüren. Die Zellengrösse entspricht nicht mehr den heutigen Vorschriften. Statt minimal 12 umfassen sie im Schnitt lediglich 8,5 Quadratmeter.
Einer der bekanntesten Insassen war Bestsellerautor Erich von Däniken, der 1969 im Churer Gefängnis sein zweites, in einer Rekordauflage erschienenes Buch «Zurück zu den Sternen» schrieb. Der Jude David Frankfurter verbüsste neun Jahre im Sennhof, bevor er begnadigt wurde. Er hatte 1936 in Davos den Nazi und Gauleiter Wilhelm Gustloff in dessen Büro erschossen.
Der älteste Bündner Knast lässt sich sogar touristisch vermarkten. Das Gefängnis sei bei den Stadtführern ein beliebtes Thema, sagt die Churer Tourismusdirektorin Leonie Liesch. Für den Churer Stadtpräsidenten Urs Marti ist die Strafanstalt eine touristische Attraktion der besonderen Art.
Kaufen möchte die Stadt Chur den 2900 Quadratmeter grossen Landfleck indes nicht. Das Parlament lehnte die Aufnahme entsprechender Verhandlungen ab. «Wir sehen der Denk- und Planungsarbeit des Kantons gespannt entgegen und bringen uns gerne ein», sagt Stadtpräsident Marti.
Was soll aus der Gebäudegruppe werden, wenn sie als Gefängnis ausgedient hat? Es gibt das Beispiel des Zentralgefängnisses Luzern, aus dem das «Jailhotel Löwengraben» entstand, laut Eigendeklaration das «erste Gefängnishotel in der Schweiz».
Das ehemalige Basler Untersuchungsgefängnis Lohnhof wurde ebenfalls in einen Hotelbetrieb umfunktioniert. Zudem entstanden in der historischen Baute Wohnungen, ein Museum, ein Theater und ein Jazzclub.
«Grobe Vorstellungen» habe der Kanton davon, was mit dem Sennhof-Areal geschehen solle, sagt Kantonsbaumeister Markus Dünner. Und: «Wir planen einen Investorenwettbewerb.» Die Ausschreibung soll im nächsten Frühling erfolgen.
Die Nachfrage nach Wohn- oder Gewerbeflächen dürfte aufgrund der zentralen Lage des Sennhofs hoch sein, glaubt man beim Kanton. Mit der weiteren möglichen Nutzung der Gebäudegruppe beschäftigt sich auch eine eigens gegründete Interessengemeinschaft Sennhof. Dort favorisiert wird ein «Mix aus Wohnen, Kultur, Gastronomie und Jugendherberge».
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