Gegner wie Befürworter des Volksbegehrens debattierten nach dem klaren Verdikt weniger über die Gründe des Geschehenen denn über dessen Bedeutung für die politische Zukunft der Schweiz. Denn bekanntlich ist nach der Abstimmung vor der Abstimmung.
Alle schielen bereits auf den Juni, wenn das revidierte Asylgesetz an die Urne kommt, oder auf die sogenannte Selbstbestimmungsinitiative der SVP, die Schweizer Recht vor internationales Recht stellen will.
Die Gegner dieser Vorlagen wollen den Schwung nutzen, wie sie am Abstimmungssonntag immer wieder betonten. Das neu erwachte Engagement der Zivilgesellschaft müsse weitergehen, lautete der Tenor bei Politikern und Verbandsmitgliedern.
SP-Präsident Christian Levrat sprach von einem «ersten Schritt zur Wiederherstellung des Rechtsstaats». Er sei zuversichtlich, dass die breite Allianz den Schwung mitnehmen könne und auch in Zukunft über «die destruktive SVP-Verhinderungspolitik» gewinnen werde.
FDP, CVP, GLP, BDP sowie die Vereinigung succèSuisse lancierten bereits kurz nach dem Scheitern der SVP-Initiative ein überparteiliches Komitee gegen die Initiative «Schweizer Recht statt fremde Richter». Sie wollen nach eigenen Angaben den weltoffenen und vernetzten Wirtschaftsstandort Schweiz weiterhin verteidigen.
Für die SVP hat ihre nächste Initiative jedoch hat nichts mit der Durchsetzungsinitiative zu tun, wie Parteipräsident Toni Brunner sagte. Gleichzeitig fügte er aber ab: «Wir müssen die Richter ernst nehmen, aber sie müssen auch uns ernst nehmen.»
Der Kampf um die nach ihren Augen korrekte Umsetzung des vom Parlament verabschiedeten und bald in Kraft tretenden Ausschaffungsgesetzes ist für die Initianten der SVP auch nach - oder gerade wegen - der erlittenen Niederlage nicht beendet.
Brunner will die Gegner der Durchsetzungsinitiative beim Wort nehmen und beharrt auf einer «pfefferscharfen» Umsetzung des Gesetzes. «Wir werden eine Strichliliste machen und die Ausschaffungen mitzählen.» Er fordert, dass die Härtefallklausel «nur im absoluten Ausnahmefall» zum Zug kommen dürfe. «So ist es uns versprochen worden, so werden wir es beobachten.»
Ziel sei, dass künftig jährlich rund 4000 Ausschaffungen vollzogen würden. Heute kommt es zu knapp 500 Ausschaffungen pro Jahr. Einig sind sich die Parteien darin, was CVP-Präsident Christophe Darbellay am Abstimmungssonntag aussprach: «Das Volk will keine schwerkriminellen Ausländer in der Schweiz wie Mörder, Sexualstraftäter oder Drogenhändler.»
Diese werden auch nach dem Nein zur Durchsetzungsinitiative ausgeschafft, wie die Schweizerische Staatsanwälte-Konferenz (SSK) versicherte. Deren Präsident Rolf Grädel sagte, dass das Gericht sich nur dann auf die Härtefallklausel berufen wird, wenn die automatische Ausschaffung zu einem unzumutbaren Härtefall für die betroffene Person führen würde.
Eine weitere Voraussetzung sei, dass das öffentliche Interesse an einer Ausschaffung nicht überwiegend sei. Ohne Härtefallklausel hätte das Gesetz eine eklatante und beunruhigende Verletzung der Rechtsstaatlichkeit verursacht, sagte Grädel. Die SVP habe mit der Angst der Bevölkerung gespielt, doch habe sie nicht schlüssig darlegen können, weshalb die Initiative für mehr Sicherheit sorgen würde - im Gegenteil.
Sieger wie Verlierer der Abstimmung erklärten das klare Ergebnis auch mit der starken Mobilisierung - wenn auch mit unterschiedlichen Wertungen. Brunner sprach von «einem in diesem Ausmass noch nie dagewesenen, einseitig geführten Abstimmungskampf». Er forderte die Abstimmungsgewinner von heute auf, Volksentscheide zu achten und auch dann zu respektieren, wenn ihnen das Ergebnis nicht passe.
«Alle Milieus inklusive der sonst eher zurückhaltenden Wirtschaft haben sich gegen das Volksbegehren gestellt», sagte FDP-Präsident Philipp Müller. Nach der ersten Abstimmungsumfrage von gfs.bern von Ende Januar, die der SVP-Initiative gute Erfolgschancen attestiert hatte, habe sich «eine unglaubliche Dynamik» bei den Gegnern entwickelt.