Altersvorsorge
Rentenzuschlag im Nationalrat heftig umstritten

Der Nationalrat ist am Montag auf die Reform der Altersvorsorge eingetreten. Gestritten wurde in der Debatte vor allem über die Schuldenbremse für die AHV und den vom Ständerat beschlossenen Rentenzuschlag. Einigkeit herrschte darüber, dass es eine Reform braucht.
Publiziert: 26.09.2016 um 19:42 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 05:13 Uhr
Im Nationalrat ist die Debatte über die Reform der Altersvorsorge im Gang. Letztlich geht es darum, wie viel Geld Rentnerinnen und Rentner in Zukunft in der Tasche haben. (Archivbild)
Foto: KEYSTONE/CHRISTIAN BEUTLER

Einerseits droht der AHV ein Milliardenloch in der Kasse, weil in den kommenden Jahren die geburtenstarken Nachkriegs-Jahrgänge ins Rentenalter kommen. Die zweite Säule andererseits leidet unter schrumpfenden Renditen und der steigenden Lebenserwartung der Versicherten.

«Wir brauchen eine Reform», sagte Thomas Weibel (GLP/ZH) als Sprecher der Kommission für soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK). Nach zunächst regelmässigen Reformschritten herrsche nun seit 20 Jahren Stillstand. FDP-Fraktionschef Ignazio Cassis (TI) bezeichnete die Reform der Altersvorsorge als «unverzichtbar».

Es brauche jedoch eine «faire Reform», sagte Grünen-Sprecherin Christine Häsler (BE). «Davon sind wir noch weit entfernt». Sie spielte damit auf die umstrittenen Beschlüsse der Nationalratskommission an. Diese beantragt eine Art Schuldenbremse für die AHV, die zu einer automatischen Erhöhung des Rentenalters auf 67 Jahre führen würde.

Ausserdem will die Kommission den vom Ständerat beschlossenen Zuschlag zu neuen AHV-Renten von 70 Franken sowie die Erhöhung der Ehepaar-Renten aus der Vorlage streichen. «Die Revision soll die Renten erhalten, nicht erhöhen», sagte SVP-Sprecher Sebastian Frehner (BS). Es gehe nicht an, Geschenke zu verteilen, bloss um eine Revision mehrheitsfähig zu machen.

Die FDP lehnt den Zuschlag ebenfalls ab. Sie wolle aber die Höhe der Renten erhalten, sagte Cassis. Es gebe jedoch verschiedene Wege, das zu erreichen. Die FDP kündigte ein Konzept an, das wie die Anträge des Bundesrats auf Kompensationsmassnahmen innerhalb der zweiten Säule setzt. Auch die GLP sprach sich gegen den Zuschlag aus.

Nach Ansicht von CVP, SP, Grünen und BDP handelt es sich beim Zuschlag nicht um eine Erhöhung der Renten, sondern um den Ausgleich für die Ausfälle, die mit der Senkung des BVG-Umwandlungssatzes entstehen würden. Laut Ruth Humbel (CVP/AG) ist der Zuschlag die effizienteste und kostengünstigste Massnahme zur Kompensation der Einbussen.

SP-Sprecherin Silvia Schenker (BS) warnte, dass die Vorlage ohne Ausgleich scheitern werde. Das Volk werde die Erhöhung des Frauenrentenalters, einen tieferen Umwandlungssatz und das Rentenalter 67 niemals akzeptieren. «Das ist des Schlechten zu viel.»

Lorenz Hess (BDP/BE) sieht in den Vorschlägen der Kommission eine «solide Basis zur Produktion eines Scherbenhaufens». Der Zuschlag von 70 Franken sei der Preis, um die Vorlage mehrheitsfähig zu machen.

Die Befürworter des Zuschlags erhielten Unterstützung von Sozialminister Alain Berset. Der Bundesrat wollte die Rentenausfälle durch die Senkung des Umwandlungssatzes ursprünglich mit Massnahmen innerhalb der zweiten Säule ausgleichen. Doch diese Vorschläge seien weder vom Ständerat noch von der Kommission unterstützt worden, sagte Berset.

Wenn es der Zuschlag sei, der den Ausgleich schaffe, sei er bereit, in diese Richtung zu gehen, sagte Berset. «Es gibt meines Wissens kein drittes Konzept, das die Höhe der Renten garantiert.»

Die Verwaltung hat errechnet, dass die Vorschläge der Kommission ohne Rentenzuschlag zu teilweise happigen Ausfällen führen. Je nach Alter und Einkommen belaufen sich die Einbussen auf über 2000 Franken pro Jahr.

Auch der Kommission scheint klar zu sein, dass ihre Beschlüsse noch nicht der Weisheit letzter Schluss sind. SGK-Sprecher Weibel sprach von einer Momentaufnahme. «Es ist der aktuelle Stand der Kompromisse. Weitere Kompromisse werden nötig sein», sagte er. Es sei jedoch keine Option, die Vorlage an die Wand zu fahren.

Aus diesem Grund spricht sich die Kommission auch gegen die Teilung der Vorlage aus. Thomas Aeschi (SVP/ZG) möchte die Reformschritte zeitlich staffeln. Seiner Meinung nach ist eine gleichzeitige Reform von AHV und beruflicher Vorsorge überladen. Daher sollen zuerst das Frauenrentenalter und die Mehrwertsteuer erhöht werden. Erst danach würden der Umwandlungssatz gesenkt und die Schuldenbremse in der AHV eingeführt.

Die Säulen der Altersvorsorge müssten gemeinsam konsolidiert werden, hielt Cassis dagegen. Jetzt sei es zu spät, Teile davon herauszulösen. Bei der SVP habe man offenbar Angst vor dem eigenen Mut, sagte BDP-Sprecher Hess. «Die Pille wird in homöopathischen Dosen nicht weniger giftig.»

Der Nationalrat hat nach dem Eintreten mit der Detailberatung begonnen. Entscheide hat er noch keine gefällt. Die Beratung geht am Mittwoch weiter. Als erstes entscheidet der Nationalrat über die Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 Jahre und den flexiblen Altersrücktritt.

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