Das Alkoholausschankverbot auf Autobahnraststätten war 1964 zusammen mit der Promillegrenze eingeführt worden. 1982 erlaubte die Waadtländer Regierung überraschend dem Betreiber der Autobahnraststätte der A9 in Yvorne VD, während einer einjährigen Versuchsphase Bier und Wein auszuschenken. Die Gäste mussten allerdings eine Hauptmahlzeit zu sich nehmen, um alkoholische Getränke konsumieren zu dürfen.
Der damalige Waadtländer Regierungsrat François Leuba verlangte bei der Gewährung des Wirtepatents mit Alkoholausschank vom 25. März 1982 auch, dass das Restaurant eine Auswahl alkoholfreier Getränke servieren muss, die günstiger sind als das billigste alkoholische Getränk. Einen Rekurs des Eidgenössischen Departements des Innern (EDI) schmetterte die Waadtländer Regierung am 1. September desselben Jahres ab.
Es bestehe keine genügende Verfassungsgrundlage. Zudem stelle ein Automobilist, der die Autobahn verlasse, um sich Alkohol seiner Wahl zu genehmigen, eine grössere Gefahr für den Verkehr dar als ein Autofahrer, der im Autobahnrestaurant seine Mahlzeit mit einem Dreier Landwein begleite, hielt die Waadtländer Regierung bei der Abweisung des Rekurses fest.
Probleme mit dem Alkoholausschank schien es tatsächlich keine zu geben. Einen Monat nach der Einführung des Alkoholausschanks sagte Leo Egloff, Generaldirektor der Silberkugel AG, die damals für die A9-Raststätte zuständig war, dass lediglich ein Viertel der Gäste, die eine Hauptmahlzeit konsumierten, Wein bestellt hätte. Pro Person, die eine Hauptmahlzeit ass, berechnete er die verkaufte Menge Wein auf 1,16 Deziliter. Der Bierkonsum lag «praktisch bei Null.»
Trotzdem untersagte das Bundesgericht auf Beschwerde des EDI hin den Alkoholkonsum wieder. Die allgemeine Gesetzgebungskompetenz des Bundes auf dem Gebiet der Nationalstrassen beziehe sich nicht nur auf den Bau und Unterhalt von Nebenanlagen wie Raststätten, sondern auch auf deren Betrieb, urteilte das höchste Schweizer Gericht am 24. Juni 1983. Es hob die Waadtländer Bewilligung für den Alkoholausschank wieder auf.
Nun hat sich das Blatt gewendet. Auf eine Kommissionsmotion hin entschied der Nationalrat am 13. Juni dieses Jahres, den Alkoholausschank auf Autobahnraststätten wieder zu erlauben. Der Entscheid fiel mit 115 gegen 62 Stimmen bei drei Enthaltungen deutlich aus.
Der Solothurner SP-Nationalrat Philipp Hadorn, Präsident des Blauen Kreuzes, hatte vergeblich mit den Unfallzahlen argumentiert. Zwar betrage der Anteil der Unfälle, bei denen Alkohol eine Rolle gespielt habe, noch elf Prozent und sei zurückgegangen. Trotzdem sollte aus seiner Sicht aus Gründen der Verkehrssicherheit am Verbot festgehalten werden.
Ebenfalls mit den Unfällen argumentierte Bundespräsidentin Doris Leuthard im Nationalrat für die Aufhebung des Verbots. Der grösste Teil der Unfälle mit Verletzten sei auf übersetzte Geschwindigkeit zurückzuführen. Eigentlich müsse man innerorts den Zugang zu Alkohol verbieten, sagte sie gestützt auf die Unfallstatistiken.
Aber auf dem Nationalstrassennetz, wo rund 40 Prozent des Verkehrs abgewickelt werde, finde offenbar die Regel «Wer fährt, trinkt nicht, und wer trinkt, fährt nicht» Beachtung. «Wir haben heute mit Alkohol und der Sicherheit einen ganz anderen Umgang - Gott sei Dank! Denn damals war das noch ein bisschen ein Kavaliersdelikt», sagte Leuthard mit Verweis auf 1964.
Die Beratungsstelle für Unfallverhütung (bfu) und Suchtexperten wenden sich entschieden gegen die Aufhebung des Alkoholausschankverbots. Die bfu befürchtet, dass vermehrt unter Alkoholeinfluss gefahren würde. Studien zeigten, dass eine höhere Verfügbarkeit von Alkohol zu einer Zunahme alkoholbedingter Probleme wie zum Beispiel Autounfällen führe.
Aus der Sicht der Verkehrssicherheit sei es paradox, von den Junglenkenden zu verlangen, ganz auf Alkohol zu verzichten, ihnen aber gleichzeitig in Verpflegungsstätten, die speziell Autofahrenden zur Verfügung stünden, alkoholische Getränke anzubieten. Dazu komme, dass bereits heute Geisterfahrten überdurchschnittlich oft auf alkoholisierte Lenker zurückzuführen seien.
Die Suchtfachorganisationen sehen Leib und Leben der Verkehrsteilnehmer gefährdet. Das Verkaufs- und Ausschankverbot für Alkohol auf Autobahnraststätten reduziere den Alkoholkonsum genau dort, wo er zu einer unmittelbaren und lebensbedrohenden Gefahr für Dritte werde.
Die Hoffnungen dieser Kreise ruhen nun auf dem Ständerat. In der Kleinen Kammer ist die Behandlung der Motion für den 13. September traktandiert.