Wie in den Mafia-Filmen
Gibts in der Schweiz bald ein Zeugenschutz-Programm?

Seine ehemaligen Komplizen zu verraten, soll zu milderen Strafen und Zeugenschutz führen, fordern mehrere Ständeräte. Die Bundesanwaltschaft befürwortet den Vorstoss, während Staatsrechtler an seiner Legitimität zweifeln.
Publiziert: 07.10.2016 um 16:53 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 21:30 Uhr
Er fordert eine Kronzeugenregelung wie in Mafiafilmen: Claude Janiak, SP-Ständerat (KEYSTONE/Peter Klaunzer)
Foto: PETER KLAUNZER

Kronzeugen können die Arbeit der Strafverfolgungsbehörden massiv erleichtern. Ihre Aussagen helfen den Hütern des Gesetzes, die zum Teil sehr gut verdeckten Netzwerke von Terroristen oder mafiösen Organisationen zu durchschauen. Im Gegenzug werden Kronzeugen, wie in den guten alten Filmen, in Zeugenschutzprogramme gesteckt und erhalten Straffreiheit.

Das soll auch in der Schweiz möglich werden. So zitiert die «Aargauer Zeitung» den Schweizer Bundesanwalt, Michael Lauber, aus dem Tätigkeitsbericht der Bundesanwaltschaft: «Beispiele im Ausland, namentlich in Italien und den USA, würden eindrücklich die Wirksamkeit einer Kronzeugenregelung belegen»

Die bestehenden Gesetze reichen nicht

Die Bundesanwaltschaft ruft, die Politik antwortet: Der Basler SP-Ständerat Claude Janiak hat in der letzten Session einen Vorstoss eingereicht, der die Einführung einer Kronzeugenregelung in der Schweiz verlangt. 18 Ständeräte aus allen Parteien haben mitunterschrieben, die Motion findet also Anklang im Rat.

«Selbst mit dem revidierten Bundesgesetz über die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (Büpf) stossen die Strafverfolger bei der Bekämpfung von mafiösen und terroristischen Strukturen an Grenzen», sagt Janiak der «Aargauer Zeitung», darum müsse die Diskussion um Kronzeugen geführt werden. Auch wenn die Revision des Büpf das Gesetz an die neuen technologischen Entwicklungen angepasst habe – nun dürfen die Strafverfolgungsbehörden beispielsweise Trojaner in Systeme einschleusen, um Anrufe via Internet zu überwachen – reiche das nicht.

Es gibt auch Bedenken

Das Problem ist nur, dass Kronzeugenregelungen nicht in das juristisches Verständnis der Schweiz passen. Gemäss Felix Bommer, Strafrechtsprofessor an der Universität Luzern, würde eine solche Regelung gegen die Rechtsgleichheit verstossen. Ein Schuldiger könne mildere Strafen erhalten, würde er gegen seine Komplizen aussagen. Zudem führe die Regelung in Versuchung, zu betrügen, wie zitiert wird: «Die Gefahr besteht, dass sich Täter mit unwahren Aussagen die Straffreiheit ‹erschwatzen›». Denn durch die intransparenten Strukturen solcher Organisationen sei es schwierig, die Aussagen zu verifizieren.

Diese Kritik lässt Ständerat Janiak allerdings nicht gelten: «Es geht um extreme Kriminalität», der Anwendungsbereich dieser Regelung wäre sehr eingeschränkt, sie würde daher nur eingesetzt werden, um Terroristen und Mafiosi aufzudecken.

Wirklich neu wäre nur der Zeugenschutz

Das Prinzip der Kronzeugenregelung ist der Schweiz nicht fremd: Bereits heute können Richter mildere Strafen verhängen, wenn Täter dabei helfen, weitere Verbrechen ihrer Organisation zu verhindern. Aktuell können solche Helfer aber nicht in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommen werden. Daher argumentieren Befürworter des neuen Vorstosses auch, dass sich Kronzeugen dadurch nicht mehr in Gefahr bringen würden.

Mit dem organisierten Verbrechen befassen sich momentan auch Bund und Kantone, die schärfere Gesetze dagegen erarbeiten wollen. Eine Kronzeugenregelung sei aber kein Thema, wie Benjamin Brägger, Sekretär der Strafrechtskommission der kantonalen Justizdirektoren, sagt: «Aus Sicht der kantonalen Strafverfolgungsbehörden genügt die aktuelle Regelung für kollaborierende Angeschuldigte». (wif)

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